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Hunger nach Ideologie: Warum 21 US-Staaten Trump wegen SNAP-Kürzungen vor Gericht ziehen

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Hunger nach Ideologie: Warum 21 US-Staaten Trump wegen SNAP-Kürzungen vor Gericht ziehen

In der amerikanischen Politik kann man vieles diskutieren: Waffen, Krieg, Steuern, Gott, freie Märkte, ob Pizza mit Ananas ein Verbrechen ist. Aber etwas Neues übertrifft derzeit alles: Lebensmittelhilfe ist offiziell zum ideologischen Minenfeld geworden. Und mittendrin stehen 21 demokratisch regierte Bundesstaaten, die US-Hauptstadt Washington, D.C. – und eine Trump-Regierung, die SNAP, das größte Lebensmittelhilfeprogramm des Landes, behandelt, als wäre es ein Rabattheft für moralisch würdige Bürger.

Die Klage dieser 21 Staaten ist nicht nur ein juristisches Manöver, sondern auch eine symbolische Ohrfeige für eine Politik, die Hunger zunehmend als Charaktertest versteht. Man fragt sich, ob im Weißen Haus mittlerweile der Satz kursiert:

„Wer Hunger hat, muss sich eben mehr Mühe geben.“

Ein Satz, der im Bürokratendeutsch offiziell lautet: „Wir bekämpfen Verschwendung, Betrug und Missbrauch.“ Eine Definition, die neuerdings offenbar jede Person erfüllt, die in der falschen Kategorie menschlicher Existenz lebt.

SNAP – das Programm, das füttert, was die Politik verhungern lässt

SNAP, das Supplemental Nutrition Assistance Program, ist normalerweise ein unspektakuläres Instrument: Es sorgt dafür, dass Menschen nicht buchstäblich verhungern. Doch im politischen Universum der Trump-Regierung ist selbst Essen nicht mehr neutral.

Neue Richtlinien des US-Landwirtschaftsministeriums (USDA) sehen vor, legale Einwanderer – darunter Asylberechtigte, Flüchtlinge, Green-Card-Inhaber – vom Programm auszuschließen. Einfach so. Nicht, weil sie ein Gesetz brechen. Nicht, weil sie falsche Angaben machen. Sondern, weil man kann.

Das USDA interpretiert ein im Juli unterschriebenes Bundesgesetz so kreativ, dass jeder Jurastudent im dritten Semester spontan „Objektion!“ schreien müsste. Das Ministerium hat offenbar beschlossen, das Gesetz „zu verbessern“, indem es zentrale Teile davon ignoriert.

Die demokratischen Staaten hingegen argumentieren trocken:

  • Das Gesetz sollte Schutz ausweiten, nicht kürzen.
  • Das USDA hat keine Befugnis, „ganze Personengruppen willkürlich auszuschließen“.
  • Und: Hunger ist keine geeignete Einwanderungspolitik.

Das ist eine beachtliche juristische Position, wenn man bedenkt, dass sie im Kern aussagt: „Hunger ist keine Waffe des Staates.“ Ein Satz, den man im 21. Jahrhundert eigentlich nicht mehr sagen müsste.

Die Klage – 21 Staaten gemeinsam gegen die Hungerkürzung

Die Sammelklage wurde in Eugene, Oregon eingereicht – einem Ort, der für progressive Klagen ungefähr so ikonisch ist wie Texas für Waffengeschäfte. Insgesamt 21 demokratisch regierte Staaten plus Washington, D.C. schließen sich zusammen, um die Regierung daran zu hindern, legale Einwanderer auszuhungern.

Die Liste umfasst:

  • New York
  • Kalifornien
  • Illinois
  • Massachusetts
  • New Jersey
  • …und eine ganze Reihe weiterer Staaten, die bei jeder Trump-Entscheidung reflexartig die juristische Feuerwehr anwerfen.

Die Generalstaatsanwälte sprechen unisono von:

  • „willkürlicher Entrechtung“
  • „rechtswidriger Sozialpolitik“
  • „fahrlässiger Missinterpretation“

Es ist die Art juristischer Sprache, die nur dann auftaucht, wenn selbst Anwälte Fassungslosigkeit verspüren.

Letitia James – die juristische Nemesis des Trump-Systems

Die Sprecherin dieser juristischen Offensive ist niemand Geringeres als Letitia James, Generalstaatsanwältin von New York, seit Jahren Trumps persönlicher Endgegner im Justizsystem.

Sie erklärt:

„Das USDA hat keine Befugnis, willkürlich ganze Personengruppen aus dem SNAP-Programm auszuschließen.“

Mit dem Unterton: „Wir haben bereits genug Chaos im Land. Wir müssen nicht zusätzlich Menschen hungern lassen.“

Ihre Pressekonferenz klang wie eine Mischung aus Empörung, Sarkasmus und der Erschöpfung einer Frau, die weiß, dass sie diese Art Klagen noch viele Jahre einreichen wird müssen.

Die Regierung: „Verschwendung! Betrug! Missbrauch!“ – und sonst keine Argumente

Das Weiße Haus ließ über eine Sprecherin erklären:

„Der Präsident wurde gewählt, um Verschwendung, Betrug und Missbrauch in der Bundesregierung zu beseitigen.“

Was in Trumps Version bedeutet: „Alles, was nicht in unsere Ideologie passt, ist Missbrauch.“

Die Sprecherin sagte nicht, welcher Betrug konkret gemeint sei. Oder welche Verschwendung. Oder welcher Missbrauch.

Wahrscheinlich, weil man im Weißen Haus davon ausgeht, dass alle Probleme – ob real oder fiktiv – automatisch existieren, sobald man das Wort dreimal ausspricht. Beetlejuice-Logik, aber politisch.

Wer ist betroffen? Menschen, die arbeiten – aber für Politik nicht existieren

Die Betroffenen sind die üblichen Verdächtigen einer zunehmend selektiven Sozialpolitik:

  • Geflüchtete
  • Asylberechtigte
  • Menschen, die vor Gewalt geflohen sind
  • Green-Card-Inhaber mit Jobs, aber niedrigen Einkommen
  • Familien, die ohnehin jeden Monat zwischen Stromrechnung und Milchpreisen jonglieren

Kurz: Menschen, die nicht genug Lobbyarbeit betreiben können, um gegessen zu werden.

Dass SNAP eines der effizientesten, wenigsten korrumpierten und sozial wirksamsten Programme der USA ist, spielt keine Rolle. Es geht nicht um Effizienz. Es geht nicht um Haushaltslöcher. Es geht um Symbolpolitik.

Der politische Hintergrund: Hunger als Wahlkampfargument

Man darf nicht vergessen: Ein Teil der republikanischen Basis glaubt, dass Sozialprogramme grundsätzlich „schlechte Menschen fördern“. Ein Teil der republikanischen Ideologie glaubt, dass Armut ein moralisches Problem sei. Und ein großer Teil der Trump-Wählerschaft glaubt, dass jeder Einwanderer eine Kostenstelle ist – selbst wenn er seit Jahrzehnten hier lebt, arbeitet und Steuern zahlt.

Kurz: SNAP-Kürzungen sind ein politisches Signal, kein fiskalisches Instrument.

In einem Land voller Essen hungern Menschen – nicht aus Mangel, sondern aus politischem Willen

Die Klage von 21 Staaten ist der Versuch, die Bundesregierung daran zu hindern, Hunger als politische Methode einzusetzen.

Es ist ein trauriges Zeichen der Zeit, dass man dafür überhaupt Gerichte bemühen muss.

Aber in einem Land, in dem Politik zunehmend als moralischer Castingwettbewerb geführt wird, ist es wohl unvermeidlich.