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Der Pipetten-Pirat von Neuss: Wie ein Ex-AfD-Abgeordneter im Kosmetikregal politisch kollabierte
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Der Pipetten-Pirat von Neuss: Wie ein Ex-AfD-Abgeordneter im Kosmetikregal seine politische Karriere endgültig eincremte
Die deutsche Politik hat schon viele Skandale gesehen: von verschwundenen Spendengeldern über Bildungsabschlüsse aus dem Zauberhut bis zu heimlichen WhatsApp-Gruppen voller Fremdscham. Doch wenige Geschichten sind so tragikomisch und gleichzeitig so absurd wie die des ehemaligen AfD-Europaabgeordneten Gunnar Beck – ein Mann, der einst im Europaparlament über Haushaltsrechte, Rechtsstaatsmechanismen und EU-Budgets debattierte, und nun wegen mutmaßlich entwendeter Kosmetikproben und handfestem Widerstand gegen die Polizei vor dem Amtsgericht Neuss stand.
Es ist eine jener Geschichten, die das politische Berlin mit einem leisen „Natürlich, AfD!“ kommentiert, während ein ganzes Land verstohlen kichert und hofft, der Mann habe wenigstens eine wirklich gute Anti-Falten-Creme erwischt.
Die angebliche Tat: Ein Mann, eine Pipette, ein Kaufhaus
Der ursprüngliche Vorwurf liest sich wie ein satirischer Roman, den selbst Loriot vermutlich verworfen hätte, weil er „zu unrealistisch“ klingt. Demnach soll Beck in einem Neusser Kaufhaus Kosmetik aus Probetestern in mitgebrachte Behälter umgefüllt haben – mithilfe einer Pipette. Man stelle sich die Szene vor:
- ein 60-jähriger Ex-Abgeordneter,
- pochende Neonbeleuchtung,
- eine Drogerie,
- andächtige Konzentration,
- und eine Pipette, die sanft in ein Probefläschchen eintaucht wie ein politisches Mandat in den Morast des Absurden.
Wenn es ein „Tatwerkzeug des Jahres“ gäbe – diese Pipette hätte Chancen.
Die Zeugen: Drei Jahre später – und alles ist plötzlich Nebel
Doch wie es im Leben manchmal passiert: Die beiden Ladendetektive, die den Vorfall beobachtet haben sollen, wurden als Zeugen geladen – und erinnerten sich an… nichts. Gar nichts. Null. Nada.
„Ich weiß nicht mehr, ist schon so lange her“, sagte einer von ihnen.
Ein Satz, der sowohl das gesamte Altersheim in Tränen der Rührung versetzt hätte als auch jeden Strafverteidiger in Ekstase. Denn wer keine Erinnerung hat, hat auch keinen belastbaren Tatvorwurf.
Damit fiel der Kosmetikdiebstahl-Anteil der Anklage in sich zusammen wie ein schlecht aufgeschlagener Soufflé.
Was jedoch blieb: Ein wütender Beck und genervte Polizisten
Während aus der Kategorie „Kosmetik-Kriminalität“ eine Art juristisches Nichts wurde, blieb ein zweiter Vorwurf stehen – und zwar der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.
Das ist jener Teil der Geschichte, in dem der politisch-abgesunkene Ex-Europaparlamentarier seine gesamte Restgravitas auspackte und den herbeieilenden Polizisten offenbar mit mehr Aggression als Argumentation begegnete.
Das Gericht kam zu dem Schluss:
- Ja, er hat sich gewehrt.
- Ja, er hat sich heftig gewehrt.
- Nein, das war nicht durch „politische Hetze gegen ihn“ erklärbar.
Das Ergebnis: 3600 Euro Strafe. Immerhin weniger als die ursprünglich verhängten 12.000 Euro – aber genug, um das Konto zu erinnern, dass politische Immunität kein Dauerabonnement ist.
Die akademische Fußnote: Wenn man Professor spielt, ohne einer zu sein
Besonders hübsch ist, dass der 60-Jährige bereits wegen Titelmissbrauchs verurteilt worden war. Er hatte sich „Professor“ genannt, obwohl er nie einen solchen Titel besessen hat.
Es ergibt rückblickend ein bestechend stimmiges Gesamtbild:
- Erst akademische Titel erfunden.
- Dann möglicherweise Kosmetik zusammenpipettiert.
- Schließlich Polizisten angefaucht.
Die Karrierekurve zeigt einen seltenen Abstieg: vom glühenden Kämpfer gegen „Eliten“ zum Mann, der im Kaufhaus zur Gefahr für Probetester wird.
Die politische Bedeutung: Ein Mikroskandal von nationalem Unterhaltungswert
Der Fall hat keine große politische Sprengkraft, aber eine enorme symbolische Wirkung. Er zeigt:
- Wie klein manche politische Karrieren enden.
- Wie groß manche Egos bleiben.
- Und wie winzig die Straftaten manchmal sind, die politischen Existenzen den letzten Rest Seriosität rauben.
Selbst innerhalb der AfD dürfte dieser Fall für jene Art peinliches Schweigen gesorgt haben, bei dem alle hoffen, dass das Thema schnell vorbei geht, bevor jemand daraus Strukturen oder Muster erkennt.
Denn nach Weidel-Kontogate, Höcke-Nazigrenzgang, Brandners Twitter-Ausflügen und Chrupallas „ich wurde gestochen“-Saga ist die AfD nicht gerade unterversorgt mit schlechtem Material. Aber die Vorstellung eines Ex-Abgeordneten, der mit Pipette im Kaufhaus steht? Das ist neu.
Die eigentliche Pointe: Die wichtigste Frage bleibt unbeantwortet
Der Prozess klärte fast alles – bis auf das Entscheidende:
Welche Creme war es?
War es eine Anti-Aging-Lotion? Ein Hyaluron-Serum? Eine Luxuscreme, die straffer macht als jede parlamentarische Rücktrittsforderung? Oder war es etwas so Banales wie Aftershave?
Diese Frage wird vermutlich für immer offen bleiben. Die Ermittlungsakte schweigt. Die Kreise des Parfümeriepersonals schweigen. Beck schweigt sowieso.
Ein Mysterium, das die Nachwelt beschäftigen wird. Zumindest jene Teile der Nachwelt, die sich für Kosmetikmitnahmetechniken ehemaliger EU-Parlamentarier interessieren.
Ein Prozess wie eine Pointe – und ein Urteil wie ein politisches Stillleben
3600 Euro Geldstrafe. Ein juristisch abgewickelter Vorfall. Ein Mann, dessen politische Karriere nun endgültig beim Sonderangebotsschilderhalter angekommen ist. Und ein Land, das mit einer Mischung aus Belustigung und Fremdscham zuschaut.
Der Fall Beck ist kein Staatsdrama, sondern ein Miniatur-Gemälde des politischen Alltags: klein, peinlich, skurril – und doch irgendwie unverzichtbar als Erinnerung daran, dass Macht keine Garantie für Würde ist.