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Keine Rückgabe – kein Rückversand: Taiwans klare Antwort auf Pekings historische Fantasien

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Keine Rückgabe – kein Rückversand: Taiwans klare Antwort auf Pekings historische Fantasien

„Rückkehr wohin? Taiwan, China und die große historische Ausredenlotterie“

In der internationalen Politik gibt es Momente, die klingen, als wären sie aus einem geopolitischen Improvisationstheater entsprungen. Dazu gehört zweifellos die jüngste Episode des Dauerkonflikts zwischen China und Taiwan. Während Pekings Präsident Xi Jinping weiterhin davon träumt, Taiwan „zurückzubringen“, stellt Taiwans Regierungschef Cho Jung-tai etwas klar, das eigentlich niemand mehr überhören kann: „Wir sind souverän, unabhängig – und nein, wir kehren nirgendwohin zurück.“

Es ist eine bemerkenswerte Szene: Auf der einen Seite Xi Jinping, der politische Mandarin mit der Vorliebe für große historische Erzählungen. Auf der anderen Seite Cho Jung-tai, der mit trockenem Realismus darauf hinweist, dass 23 Millionen Menschen nicht im Begriff sind, sich in ein geopolitisches Märchenbuch einordnen zu lassen, dessen Plot seit Jahrzehnten unverändert herumgereicht wird.

Cho formulierte es mit diplomatischer Klarheit, aber der Subtext war unübersehbar deutlich: „Wir sind ein Land. Punkt. Keine Rückgabe, kein Rückversand, keine Retoure.“ Dieser Satz hat in Peking vermutlich mehr Puls verursacht als jede taiwanische Wahl der vergangenen 20 Jahre.

Das Telefonat, das keiner hören wollte

Auslöser für die neuerliche Diskussion war – natürlich – ein Telefonat zwischen Xi und US-Präsident Donald Trump. Xi betonte gegenüber Trump, dass die „Rückkehr Taiwans“ ein zentraler Bestandteil der chinesischen Vision „für die Weltordnung“ sei. Eine Weltordnung, wohlgemerkt, die sich erstaunlich oft deckt mit der Vorstellung: „Alle machen bitte das, was Peking für eine gute Idee hält.“

Trump wiederum veröffentlichte anschließend einen Beitrag auf Truth Social, in dem er von „Fortschritten bei Handelsgesprächen“ sprach und die Beziehungen zu China als „extrem stark“ lobte. Taiwan? Kein Wort. Wahrscheinlich, weil Taiwan in Trumps Prioritätenliste irgendwo zwischen „Ablage C“ und „Vergessen wir das besser“ rangiert.

Die Ironie ist allerdings perfekt: Wenn ein Präsident, der normalerweise jede Frage mit mindestens einem Nebensatz über „Deal-Making“ oder „starke Beziehungen“ beantwortet, nichts über Taiwan sagt, dann ist das die eigentliche Nachricht.

Taiwan hat genug vom historischen Yoga

Taipeh reagierte wie so oft: kühl, deutlich, genervt. Taiwans Regierung wirft Peking eine Art historische Chiropraktik vor – nämlich die Fähigkeit, die Geschichte so lange zu dehnen, zu drücken und zu massieren, bis sie in Pekings Narrative passt.

Die Rede vom „Ende des Zweiten Weltkriegs“ wird in Peking gern genutzt, um zu behaupten, Taiwan gehöre „seit jeher“ zu China. In Taipeh hört man diesen Satz, als hätte jemand gerade behauptet, die Erde sei eigentlich ein Dreieck und die Gravitation optional.

Cho erinnerte das Parlament daran, dass Taiwan eine funktionierende Demokratie ist – ein Staat, der freie Wahlen abhält, eine eigene Regierung hat, eine Armee, eine Verfassung, eine Nationalflagge und einen höheren Halbleiter-IQ als die Hälfte des Globus. Peking hingegen argumentiert nach dem Motto: „Wenn man es oft genug wiederholt, wird es irgendwann wahr.“

Weltordnungsfantasien und Realitätsabgleich

Xis Vorstellung einer „Weltordnung“ hat bemerkenswerte Eigenschaften:

  • Sie ist einseitig interpretierbar.
  • Sie basiert auf historischen Erzählungen, die wahlweise selektiv oder kreativ überarbeitet wurden.
  • Und sie ignoriert, dass 23 Millionen Menschen auf Taiwan sehr lebendig existieren, sehr laut widersprechen und sich nicht wie ein geopolitisches Pfand behandeln lassen.

Cho fasste diese Haltung Taiwans noch einmal zusammen, als hätte er gerade eine besonders absurde Zeitreise erklärt bekommen:

„Für unser Land ist eine Rückkehr keine Option – das ist sehr klar.“

Eine Formulierung, die diplomatisch klingt, aber unterschwellig heißt: „Wir bitten höflich darum, nicht ständig in imperialistisch-romantischer Fanfiction aufzutauchen.“

🇺🇸 Und die USA? Zwischen Deals, Diplomatie und Desinteresse

Dass Trump Taiwan bei seinem Beitrag einfach ausließ, ist ebenfalls aufschlussreich. Es passt in ein Muster: Solange Handelszahlen stimmen, kann man schwierige geopolitische Themen gern mal in den Kühlschrank stellen. Dummerweise sorgt das im Fall Taiwan regelmäßig dafür, dass es in diesem Kühlschrank anfängt zu rumoren.

In Taipeh herrscht daher seit Jahren eine Mischung aus vorsichtigem Vertrauen und stillem Nervenzucken, wenn es um amerikanische Präsidenten geht. Denn die USA sind zwar der wichtigste Verbündete Taiwans, aber auch ein Staat, dessen Außenpolitik manchmal wie ein Roulette-Spiel wirkt – nur mit mehr Tweets.

Die Realität: Ein souveräner Staat trifft auf historische Fiktion

Am Ende bleibt ein Fakt: Taiwan ist ein souveräner Staat. Kein Anhängsel, keine Provinz, kein historisches Auslaufmodell. Und vor allem keine Ressource, die man per Telefonat neu sortieren kann.

Wenn Xi also davon spricht, Taiwan sei ein „zentraler Bestandteil der Weltordnung“, meint er eigentlich: „Unserer Weltordnung.“ Wenn Trump nichts sagt, meint er meistens: „Ich sage lieber nichts.“ Und wenn Taiwan klarstellt, dass es zu nichts zurückkehrt, dann meint es genau das.

Die geopolitische Bühne bleibt damit unverändert: China träumt, die USA taktieren, und Taiwan existiert – selbstbewusst, demokratisch, souverän und zunehmend genervt vom permanenten Versuch, es in eine Weltkarte einzupassen, die Peking im Kopf zeichnet.