- Veröffentlicht am
- • Politik
Politik im Offbeat: Wie ein geopolitischer Streit Jazzkonzerte verstummen lässt
- Autor
-
-
- Benutzer
- tmueller
- Beiträge dieses Autors
- Beiträge dieses Autors
-
Es gibt internationale Konflikte, bei denen man den Eindruck hat, beide Seiten hätten heimlich eine Wette abgeschlossen, wer die absurdeste Maßnahme zuerst auf den Tisch legt. Im aktuellen Fall zwischen China und Japan wird diese Wette offenbar mit ernster Miene und maximaler Konsequenz betrieben – und zwar auf einer Bühne, auf der normalerweise nur Saxophone röhren, Bässe brummen und Publikum höflich klatscht: der Kulturszene.
Denn Peking hat nun beschlossen, dem diplomatischen Streit eine musikalische Note zu verleihen – und zwar eine, die ungefähr so wohlklingend ist wie ein schiefer Triangel-Schlag im Orchestergraben. Mehrere japanische Musiker sahen ihre Konzerte abrupt abgesagt, nicht etwa wegen Krankheit, Technikversagen oder plötzlich entdeckter Terminkollisionen, sondern wegen geopolitischer Verstimmungen. So als würde man ein Rockfestival absagen, weil der Nachbar sein Auto falsch geparkt hat.
Zu den Betroffenen gehört unter anderem der renommierte Jazz-Bassist Yoshio Suzuki, der in Peking sogar mitten im Soundcheck ausgebremst wurde. Ein Vorgang, der ungefähr so dezent ist wie ein Polizeieinsatz beim Dessertbuffet. Die Beamten informierten die Band, dass das Konzert nicht stattfinden würde – trotz langwieriger Visa-Verfahren, die normalerweise länger dauern als ein durchschnittlicher Familienurlaub. Man könnte fast meinen, Peking wolle demonstrieren, dass Bürokratie zwar viel Zeit frisst, aber geopolitische Entscheidungen jederzeit alles zunichtemachen können. Ein bisschen wie ein Kartenhaus aus Formularen, das plötzlich von einem politischen Windstoß umgepustet wird.
Doch damit nicht genug: Landesweit wurden rund ein Dutzend Auftritte abgesagt, und Veranstalter erhielten diskrete, aber deutliche Hinweise, dass diese Absagen nicht als Ausnahme, sondern eher als neues Normal betrachtet werden sollten. Selbst Konzerte für 2025 stehen bereits unter dem Verdacht, irgendwann auf mysteriöse Weise im Kalender zu verschwinden. Wer heute Jazz spielt, könnte morgen schon als diplomatisches Risiko gelten – eine Entwicklung, die vermutlich nicht einmal Kafka in einer seiner düstersten Launen erdacht hätte.
Der Hintergrund der musikalischen Eiszeit liegt in Aussagen der neuen japanischen Premierministerin Sanae Takaichi. Diese hatte erklärt, ein chinesischer Angriff auf Taiwan würde eine militärische Reaktion Japans nach sich ziehen. Eine Aussage, die in erster Linie eine politische Position ist, aber in Peking offenbar so verstanden wurde, als hätte Japan eine persönliche Ohrfeige verteilt. Und wie jeder weiß: In der internationalen Politik ist die Reaktion auf Kränkungen oft weniger von Rationalität als von dem abhängig, was Diplomaten „strategische Gemütslage“ nennen. Der Normalbürger würde es vermutlich eher als „beleidigte Leberwurst auf Staatsniveau“ bezeichnen.
China reagierte zunächst mit ökonomischen Maßnahmen – Reiseboykotts, Importverboten und anderen Instrumenten, die inzwischen fast schon zur Grundausstattung internationaler Konflikte gehören. Doch nun scheint sich Peking gedacht zu haben: Warum bei Wirtschaft aufhören? Warum nicht mal Kultur sanktionieren? Schließlich macht es doch viel mehr Spaß, Dinge zu verbieten, die eigentlich niemanden verletzen außer ein paar Noten, ein paar Musiker und das Publikum, das nun ratlos vor leeren Veranstaltungskalendern steht.
Das Tragische – oder Komische, je nach Perspektive – an dieser Entwicklung ist, dass Musik als universelle Sprache gilt, die Brücken baut, Emotionen teilt und Menschen verbindet. Doch ausgerechnet in einem Konflikt, der ohnehin schon genügend Spannungen aufweist, wird nun ausgerechnet diese verbindende Sprache als politisches Druckmittel missbraucht. Man könnte fast sagen: Das Konzert der Diplomatie spielt schief, und anstatt nachzustimmen, schaltet jemand das Licht aus.
Objektiv betrachtet entsteht so ein geopolitisches Theaterstück, in dem Kultur plötzlich Geisel wird. Ein Stück, das niemand bestellt hat, das niemand zu Ende sehen will und dessen Hauptdarsteller – die Musiker – unbeabsichtigt in eine Rolle geraten, die sie nie spielen wollten. Sie wollten lediglich auftreten, spielen, improvisieren. Doch nun improvisieren sie unfreiwillig in einem politischen Konflikt, der jede Harmonie in Dissonanz verwandelt.
Und die Moral von der Geschichte? Wenn zwei Staaten streiten, leidet am Ende oft die Kultur. Und manchmal auch der Bassist.