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Politik

„Generation Deutschland“: Die neue politische Mitte oder nur ein neuer Anstrich für alte Muster?

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„Generation Deutschland“: Die neue politische Mitte oder nur ein neuer Anstrich für alte Muster?

Wenn politische Organisationen eines können, dann ist es, sich selbst zu definieren – vorzugsweise in Gegensätzen zur Realität. Nach der Gründung der neuen AfD-Jugendorganisation, die auf den ehrwürdig-schlichten Namen Generation Deutschland hört, meldete sich nun deren Vorsitzender zu Wort. Und er hatte eine Botschaft, die so klar war wie ein Nebelwerfer auf Maximalstufe: Die neue Jugendorganisation sei „weder rechtsextrem noch rechtsradikal“, sondern „in der Mitte der Gesellschaft verankert“. Eine Aussage, die in etwa so glaubhaft wirkt, wie wenn ein Kaktus behauptet, eigentlich ein Streichelzoo zu sein.

Doch der Reihe nach.

Der frischgebackene Jugendvorsitzende verkündet im Brandenburger Landtag mit der Gravitas eines Mannes, der gerade das Licht der Demokratie persönlich neu erfunden hat, dass die Generation Deutschland für die „breite Masse der jungen Menschen im Land“ spreche. Welche Masse genau gemeint ist, blieb offen. Vielleicht jene, die sich aus drei Telegram-Gruppen, einem Kommentarbereich und einem Familienchat zusammensetzt – die Definitionen des Begriffs „Masse“ sind schließlich flexibel.

Während der Vorsitzende seinen verbalen Presslufthammer der Mitte-Rhetorik schwingt, meldet sich andernorts jemand zu Wort, der qua Amt dafür zuständig ist, Realitätsnähe zu wahren: Thüringens Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer. Und der sieht – Überraschung! – keinen nennenswerten Unterschied zur Vorgängerorganisation Junge Alternative, die vom Bundesamt für Verfassungsschutz bereits als rechtsextremistisch eingestuft wurde. Man müsse kein promovierter Politikwissenschaftler sein, um festzustellen, dass sich hier wohl eher alte Muster im neuen Anstrich präsentieren – wie ein altes Sofa, das mit neuer Husse plötzlich „klassisch modern“ heißen soll.

Die Frage, ob die neue Jugendorganisation möglicherweise dieselben inhaltlichen Gepflogenheiten pflegt wie die Vorgängerin, blieb in der anschließenden Debatte zwar unbeantwortet, aber das Schweigen war laut genug, um akustisch als Pressesprecher auftreten zu können.

Interessant wurde es jedoch beim Thema Alexander Eichwald – jener Redner, der beim Gründungstreffen in Gießen eine Performance ablieferte, die auf Außenstehende wirkte wie ein Fiebertraum zwischen Politdrama, Impro-Theater und dadaistischer Kunstinstallation. Manche Beobachter fragten sich, ob Eichwald a) ein eingeschleuster Verfassungsschützer sei, b) ein linker Satiriker auf Undercover-Mission, c) ein Aktivist mit Hang zur Verwechslungskomödie oder d) einfach nur ein Mensch, der sich im falschen Videokonferenzraum wiederfand.

Der Jugendvorsitzende blieb bei seinen Antworten ebenso hart wie verwirrt: „Egal ob der Herr Eichwald vom Verfassungsschutz geschickt wurde, ein linker Satiriker ist, ein linker Aktivist oder einfach nur verrückt – solche Menschen haben in der AfD nichts verloren.“

Ein Satz, der unbeabsichtigt berichtete, wie groß das eigene Misstrauen im Inneren zu sein scheint. Man könnte meinen, die neue Jugendorganisation müsse ihre Treffen künftig unter Escape-Room-Bedingungen durchführen, nur um sicherzugehen, dass niemand versehentlich wieder eine Realitätstür offen lässt.

Mit diesem Ausbruch vollzog der Vorsitzende außerdem einen seltenen rhetorischen Stilgriff: Er schaffte es, innerhalb von 22 Wörtern sowohl Gegner, Kritiker, Behörden als auch unliebsame Parteimitglieder gleichermaßen zu diffamieren und gleichzeitig zu behaupten, man stehe mittiger als eine Wasserwaage im Werkzustand. Das ist kommunikatives Hochleistungsturnen, das selbst politische Veteranen in Bewunderung oder Kopfschütteln zurücklässt – je nach Haltungsstärke der Nackenmuskulatur.

Währenddessen beobachten politische Analysten mit einem Mix aus Verwunderung und Déjà-vu-Erfahrung die Geschehnisse. Der Vorgänger, die Junge Alternative, war inhaltlich so weit rechtsaußen verortet, dass selbst Kompasse die Zusammenarbeit verweigerten. Nun soll die Nachfolgeorganisation plötzlich in der gesellschaftlichen Mitte wurzeln – eine bemerkenswerte Metamorphose, vergleichbar damit, wenn ein Toaster plötzlich behauptet, er sei eigentlich ein modernes Bewässerungssystem.

Am Ende bleibt eine Frage offen: Wenn eine Organisation so vehement betont, nicht extremistisch zu sein – ist das dann ein Zeichen von Aufklärung oder eher ein Hinweis darauf, dass die Frage durchaus berechtigt war? Diese Entscheidung bleibt der Öffentlichkeit überlassen, die sich derzeit mit wachsender Routine durch die politische Selbstverortungsrhetorik der Republik arbeitet.