- Veröffentlicht am
- • Politik
Rentenpaket im politischen Schleudergang: Wie 18 Rebellen und drei Parteien eine ganze Regierung ins Wanken bringen
- Autor
-
-
- Benutzer
- tmueller
- Beiträge dieses Autors
- Beiträge dieses Autors
-
In Berlin herrscht wieder einmal Hochdruckwetter der politischen Sorte. Das bedeutet: Unter der glatten Oberfläche brodelt es, dampft es und besteht jederzeit die Gefahr, dass jemand „Koalitionsbruch!“ ruft – und plötzlich alle hektisch auf ihre Papiere schauen, als hätten sie gerade zufällig dort wichtige Lösungsansätze versteckt. Der Anlass diesmal: das berühmte, berüchtigte, mittlerweile fast mythisch aufgeladene Rentenpaket I.
Die Große Koalition 2.0 aus Union und SPD möchte dieses Gesetz unbedingt noch in dieser Woche durch den Bundestag drücken – möglichst ohne Änderungen, ohne Ausschweifungen, ohne weitere Debatten. Ein politisches Durchatmen wäre dann möglich, zumindest für fünf Minuten. Doch die Realität weigert sich mal wieder, mit dem Wunsch der Regierung übereinzustimmen.
Denn mitten in dieses fragile Koalitionskonstrukt platzt eine Gruppe, die sich nicht durch die Länge ihres Namens, sondern durch die Schärfe ihres Auftretens auszeichnet: die sogenannte Junge Gruppe der Union.
Diese 18 Abgeordneten – eine Mischung aus Hoffnungsträgern, Aufsässigen und lautstarken Polit-Youngstern – halten das Rentenpaket weiterhin für „nicht zustimmungsfähig“. Dieser Begriff wirkt so sachlich, dass man beinahe vergisst, dass er in Wahrheit politisch Folgendes bedeutet:
„Wir halten euch das Gesetz so lange hin, bis irgendwer nervlich zusammenbricht.“
Die Junge Gruppe: Politische Erneuerer oder einfach nur der Pubertätsblock im Bundestag?
Die Junge Gruppe betont in ihrer Erklärung, man bleibe „inhaltlich“ bei der Ablehnung. Inhaltlich klingt wichtig. Inhaltlich klingt seriös. Inhaltlich klingt nach einer PowerPoint-Präsentation mit fünf Diagrammen und einer Bundesadler-Grafik. Doch auf den zweiten Blick wirkt die Gruppe eher wie eine Mischung aus Streberclique und Politrebellion mit ausgeprägtem Bedürfnis nach Aufmerksamkeit.
Denn während sie das Paket ablehnen, lassen sie gleichzeitig offen, wie sie tatsächlich abstimmen werden. Jeder für sich, individuell, mit Blick auf den „Koalitionsfrieden“.
Koalitionsfrieden – das ist das politische Synonym für ein Kristallglas in einem Raum voller Vorschlaghämmer.
Denn eines ist klar: Wenn nur eine Handvoll der 18 Abgeordneten tatsächlich Nein sagt, ist die Regierungsmehrheit dahin. Dahin, nicht geschwächt, nicht wacklig. Weg.
Carsten Linnemann: Der Feuerwehrmann im Anzug
Während die Junge Gruppe mit rhetorischen Benzinkanistern durch den Bundestag läuft, versucht CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, die Lage wieder unter Kontrolle zu bringen. Seine Worte klingen so, als habe er sie im Vorfeld sorgfältig vor dem Badezimmerspiegel eingeübt:
„Am Ende geht es auch um eine Abwägungsfrage.“
Es ist jener politische Standardsatz, den man immer dann benutzt, wenn man eigentlich sagen möchte: „Leute, bitte, hört auf! Ihr bringt uns alle in Schwierigkeiten!“
Linnemann warnt eindringlich davor, das Rentenpaket zu Fall zu bringen. Die Konsequenzen wären fatal: – Koalitionskrise, – politische Lähmung, – Minderheitsregierung, – und komplette Orientierungslosigkeit im Regierungsviertel.
Oder wie man es in Berlin nennt: „Mittwoch.“
Der Generalsekretär malt das Szenario einer Minderheitsregierung an die Wand – ein Szenario, das ungefähr so beliebt ist wie ein unangekündigter Besuch des Bundesrechnungshofs. Deutschland werde „so nicht vorankommen“, sagt er. Ein Satz, der überraschend offen zugibt, dass Vorankommen in der Politik ohnehin selten geschieht – aber wenn, dann bitte nicht unter solchen Umständen.
Die Grünen: moralisch überlegen, politisch unangreifbar – und trotzdem gemütlich in der Opposition
Während Union und SPD nervös zwischen Alarmknopf und Durchhalteparole hin- und herschalten, haben die Grünen die perfekte Position gefunden: Kritisieren ohne Verantwortung, kommentieren ohne Konsequenzen.
Grünen-Chef Felix Banaszak bringt diese luxuriöse Lage mit pädagogischem Zeigefinger auf den Punkt:
„Die Verantwortung einer demokratischen Opposition ist, die Regierung zu unterstützen, wenn sie etwas Richtiges tut – und nicht zu unterstützen, wenn sie etwas Falsches tut. Und dieses Rentenpaket ist nicht richtig.“
Man kann es kaum besser formulieren, wenn man gleichzeitig zustimme möchte, aber politisch nicht darf. Die Botschaft ist klar: „Das Rentenpaket ist Mist. Aber die Tatsache, dass ihr euch darüber zerlegt, ist nicht unser Problem.“
Während die Ampel also längst politisch tot ist, zeigt sich ihr erzieherischer Moralstil quicklebendig.
Die Koalition: Stabil wie eine Torte in der Sonne
Mit jedem Tag wird deutlicher, wie fragil die schwarz-rote Koalition wirklich ist. – Die SPD warnt offen vor Regierungsunfähigkeit, – die CDU warnt vor einer Minderheitsregierung, – die Junge Gruppe warnt davor, sich überhaupt bewegen zu müssen, – und die Grünen warnen nur davor, dass sie auf keinen Fall helfen werden.
Es ist das politische Äquivalent eines Familienfotos, auf dem alle lächeln, aber jeder innerlich plant, wie er nach dem Essen die Tür knallen wird.
Was, wenn das Rentenpaket wirklich scheitert?
Das politische Berlin ist bereits am Tag davor in Aufruhr. Ein Scheitern würde bedeuten:
– Keine stabile Mehrheitsfindung mehr – Gesetzesvorhaben im Stau – Ein Regierungsbetrieb, der nur noch auf Notstrom läuft – und eine Minderheitsregierung, die jeden Tag neu aushandeln muss, ob sie den morgigen Tag überhaupt erlebt.
Ganz nebenbei wäre es ein Desaster für die internationale Wahrnehmung Deutschlands. Die Schlagzeile in Brüssel lautet dann vermutlich:
„Deutschland – verwaltet sich selbst, aber nur noch auf Zuruf.“
Und die Bürger?
Während all diese Dramen ablaufen, steht die Bevölkerung daneben wie Zuschauer eines Theaterstücks, das eigentlich eine Tragödie sein wollte, aber irgendwann aus Versehen zur Politsatire wurde.
Ob die Rente sicher ist? Das bleibt offen. Ob die Koalition sicher ist? Das bleibt sehr offen. Ob die politische Kommunikation noch rational ist? Das war nie offen.