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Rentenpaket oder Regierungspaket? Wie Bas’ Warnung und die Unionsrebellen Berlin ins politische Zittern versetzen

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Rentenpaket oder Regierungspaket? Wie Bas’ Warnung und die Unionsrebellen Berlin ins politische Zittern versetzen

Es gibt Momente im politischen Berlin, da fragt man sich, ob man gerade eine Regierung beobachtet oder eine Ensembleprobe eines ambitionierten Theaterprojekts, das unbedingt beim Theatertreffen nominiert werden möchte. Der aktuelle Rentenstreit gehört dazu. Ein Gesetz, das eigentlich nur dafür sorgen soll, dass künftige Renten nicht implodieren, entwickelt sich zu einer Art machtpolitischem Stresstest – inklusive Nachwuchsrebellion, Koalitionsangst und subtilen Drohungen, die weniger subtil wären, wenn man sie mit Leuchtfarbe an die Fassade des Reichstags pinseln würde.

Akt I: Die Junge Union entdeckt ihre innere Revolutionsromantik

Alles beginnt mit der Jungen Union – der politischen Organisation, die regelmäßig beweist, dass jugendlicher Enthusiasmus und politischer Realitätssinn nicht zwingend gemeinsam auftreten müssen. In diesem Fall richtet sich ihre Energie gegen SPD-Chefin und Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas.

„Regierungsfähigkeit heißt Reformfähigkeit“, verkündet JU-Chef Johannes Winkel vor einer CDU-Vorstandssitzung. Ein Satz, der klingt, als habe er ihn vorher mit Edding auf seinen Frühstücksbagel geschrieben, um die rhetorische Schärfe zu konservieren.

Doch Winkel lässt nicht locker. Bas habe beim SPD-Nachwuchs zum „gemeinsamen Kampf gegen die Arbeitgeber“ aufgerufen – ein Satz, der in sozialdemokratischen Kreisen ungefähr so ungewöhnlich ist wie „Wir müssen über Umverteilung reden“. Für die JU allerdings ist dies ein reines Menetekel: die SPD, wieder einmal im Klassenkampfmodus. Eine historische Wiederholungstat, finden sie. Die Betroffenen bei der SPD hingegen sehen darin eher die Fortsetzung ihres Markenkerngeschäfts.

Akt II: Bas antwortet – und zwar mit der subtilsten Drohgebärde seit Erfindung des Koalitionsvertrags

Bärbel Bas, nicht unbedingt bekannt als impulsive Lautsprecherin, antwortet nicht mit Gegenangriffen, sondern mit einem politisch-sanften Satz, der beim näheren Hinhören jedoch die Wucht eines Presslufthammers entfaltet:

„Das Rentenpaket ist wichtig – insbesondere für den Fortbestand der Koalition.“

Übersetzung in Berliner Klartext: „Wenn ihr das Rentenpaket versenkt, war’s das mit dieser Regierung.“

In Brüssel ausgesprochen, was dem eine internationale Würze verleiht, klingt die Botschaft so diplomatisch wie möglich, aber dennoch so eindeutig, dass selbst die Europaabgeordneten aufhorchen dürften.

Sie ergänzt:

„Weil ansonsten die Gefahr besteht, dass wir kaum noch andere Gesetzgebungen durchs Parlament bringen.“

Das ist der politische Angelpunkt. Ein Koalitionsbruch wird nicht ausgesprochen – aber er steht plötzlich als Schattenfigur im Raum. Man kann ihn nicht sehen, aber man hört ihn ganz leise flüstern: „Neuwahlen.“

Akt III: Die 18 Rebellen – und wie eine Minderheit zur Mehrheitshürde wird

Der Rentenstreit selbst dreht sich um das Rentenniveau. Während die Koalitionsspitzen stabilisieren wollen, möchten 18 Abgeordnete der Jungen Gruppe der Union lieber flexibilisieren, modernisieren, dynamisieren – kurz: alles tun, was man politisch tun kann, ohne es konkret auszusprechen.

Diese 18 Abgeordneten sind zahlenmäßig nicht beeindruckend, aber parlamentarisch hochexplosiv. Denn ohne ihre Stimmen hat die Koalition keine eigene Mehrheit mehr. Und eine Koalition ohne eigene Mehrheit ist wie ein Auto ohne Lenkrad: Es bewegt sich zwar, aber niemand weiß genau wohin.

In Berlin nennt man das „Regieren im Hauch von Hoffnung“, und dieser Hauch wird im Bundestag zunehmend dünner.

Akt IV: Die CDU zwischen allen Stühlen – ein Balanceakt der unbequemen Sorte

CDU-Chef Merz hat nun das zweifelhafte Vergnügen, gleichzeitig:

  1. die rebellische Junge Gruppe zu besänftigen,
  2. die Koalitionsfähigkeit nicht zu gefährden,
  3. und glaubwürdig zu wirken.

Letzteres ist der schwierigste Teil.

Denn einerseits kann er seine Nachwuchsabgeordneten nicht einfach zur Ordnung rufen – das sähe aus, als würde er junge Talente mundtot machen. Andererseits muss er aber auch Bas signalisiert haben, dass die CDU nicht vorhat, die Regierung in eine Renten-Racheaktion zu treiben. Es ist ein klassisches Merz-Dilemma: Er will Stärke zeigen, aber nicht als Koalitionszerstörer dastehen.

Akt V: Die politische Realität – ein Kartenhaus, das im Wind steht

Ein Scheitern des Rentenpakets wäre mehr als ein Stolperer. Es wäre ein unübersehbarer Riss im Koalitionsfundament. Folge: – keine Mehrheiten mehr, – keine Gesetzgebungsfähigkeit, – kein Vertrauen in Stabilität, – und sehr wahrscheinlich: der Beginn des letzten Aktes dieser Regierung.

Mancher im politischen Berlin nennt es „dramatisch“. Andere nennen es „Dienstag“. Denn dramatischer Ausnahmezustand gehört hier zum Alltag wie Bauzäune vor Staatsbauten.

Was wir sehen, ist ein klassischer Dreiklang des Berliner Politikalltags:

1. Eine Koalition, die betont, wie stabil sie ist – während sie kurz vor der Hyperventilation steht. 2. Eine Jugendorganisation, die kämpft, als hinge das Schicksal der Republik von ihrer Wortwahl ab. 3. Und eine Ministerin, die mit einem einzigen vorsichtig verklausulierten Satz andeutet, dass die gesamte Regierung an einem Rentenparagrafen hängt.

Das Rentenpaket wird damit nicht nur zur sozialpolitischen Entscheidung, sondern zur Koalitions-Schicksalsfrage. Ein Gesetz mit Inhalt – und Sprengkraft. Die Rentenformel war selten so mathematisch, aber nie so explosiv.