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Politik

Von BlackRock zu TikTok – Friedrich Merz entdeckt das Internet (und sich selbst gleich mit)

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Von BlackRock zu TikTok – Friedrich Merz entdeckt das Internet (und sich selbst gleich mit)

Berlin, Kanzleramt. Einst Symbol für deutsche Staatsräson und mausgraue Politik – jetzt offizielles Studio für Friedrich Merz’ Influencer-Karriere.

Der Kanzler sitzt locker im Sessel, das Jackett fehlt, die Krawatte liegt vermutlich weinend in der Ecke, und er liest Kommentare vor, als wäre er nicht Chef einer Regierungskoalition, sondern frisch gecastetes Mitglied von „Germany’s Next Kanzlerface“.

„Ist das eine Frisur?“ – Wenn sich ein FDP-Haarschnitt selbst auf die Schippe nimmt

Früher hätte Merz auf die Frage nach seiner Frisur wahrscheinlich mit einem steuerpolitischen Grundsatzreferat geantwortet. Jetzt sagt er lakonisch:

„Gegenfrage: Ist das eine Frisur?“ Und ganz Deutschland fragt sich: Hat Friedrich Merz Humor? Oder ist das eine strategische Image-Ausbuchtung durch künstliche Menschlichkeit?

Klar ist nur: Der Mann, der früher in Talkshows klang wie eine PDF-Datei im Anzug, schaltet jetzt auf „sympathisch“ – und zwar im 16:9-Format.

Digital-Detox? Nein danke. Ich bin Kanzler mit Kommentarspalte.

Merz liest nun Dinge vor, die man sonst höchstens unter YouTube-Videos von Wendler-Konzerten erwartet. Fragen wie:

„Machen Sie eigentlich Rambo Zambo im Kanzleramt?“ werden nicht mehr ignoriert, sondern inhaltsfrei mit einem Lächeln veredelt, das aussieht wie aus einem ChatGPT-Smalltalk-Modul.

Was früher „bürgerlich“ hieß, heißt heute: LED-Licht, Mikrofon im Revers, und ein Kanzler, der plötzlich klingt, als wäre er im dritten Ausbildungsjahr bei Funk.

Zwischen Großvater-Energie und MacBook-Pro-Rhetorik

Die Bildsprache: IKEA-gedämpft. Die Tonlage: Friedrich „Fastfreundlich“ Merz. Das Skript: angeblich keins – was bedeutet, dass vermutlich fünf Referenten, drei Juristen und ein Satireberater beteiligt waren.

„Ich werde mit meinem Team darüber sprechen“, sagt Merz auf eine alberne Frage. Was übersetzt heißt: „Danke für den Input. Wird im Keller geschreddert.“

Scholz wie ein Faxgerät – Merz wie ein Selfie-Stick

Verglichen mit Olaf Scholz wirkt Merz plötzlich wie ein TikTok-Star, der morgens noch Wirtschaftsminister war und abends Smoothie-Bowls erklärt.

Wo Scholz auf Instagram aussieht wie ein aus der Zeit gefallenes Konto für Amtsstuben-Ästhetik, glänzt Merz mit semibedrohlichem Charme und einem Blick in die Kamera, der sagt: „Ich weiß, wo du wohnst – und ich bringe dir steuerliche Entlastung mit.“

Digitalisierung 2024: Der Kanzler als Reaktionsvideo

Das Merz-Team hat geliefert: – Gute Ausleuchtung, – glasklarer Ton, – Schnittbild-Kanzler mit Sidekick-Vibes. Er wirkt wie jemand, der gerade zum ersten Mal die Welt außerhalb von Beraterverträgen entdeckt.

Und das Beste: Man glaubt ihm fast. Also kurz. Dann denkt man an Friedrich Merz – und merkt, dass das hier nicht der Beginn einer Revolution ist, sondern die CDU-Version von „Mensch ärgere dich nicht“.

Der Mensch Merz – jetzt auch als Reel

Friedrich Merz ist nicht weich geworden. Er ist nur algorithmustauglich. Er antwortet jetzt auf Instagram-Kommentare wie andere auf Verfassungsbeschwerden – trocken, verbindlich, und mit einem Gesichtsausdruck, der irgendwo zwischen Schmunzeln und Steuerprüfung pendelt.

Er ist kein Kanzler für alle. Aber immerhin: Ein Kanzler mit Kommentarfunktion.

Und das ist, in Zeiten wie diesen, vielleicht mehr Demokratie als uns je versprochen wurde.