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Castor on Tour – Wenn hochradioaktive Roadshows durchs Münsterland rollen

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Castor on Tour – Wenn hochradioaktive Roadshows durchs Münsterland rollen

Deutschland hat viele Dinge: Autobahnen ohne Tempolimit, Bier in allen Aggregatzuständen – und natürlich Atommüll, der keine Heimat findet. Seit Jahren lagern in Jülich rund 300.000 Brennelemente-Kugeln, die so gefährlich sind, dass sie eigentlich in einem Science-Fiction-Film die Hauptrolle spielen könnten. Nun sollen sie auf die große Reise gehen – 170 Kilometer weiter nach Ahaus. Für alle, die dachten, die Tour de France sei die härteste Straßenetappe Europas: Willkommen bei der „Castor-Classics“ durch NRW.

Ein Stückchen Strahlen für alle

Geplant sind 152 Transporte, jeder Castor einzeln auf Achse, eskortiert von Polizei und Protestplakaten. Vier Transportfahrzeuge stehen bereit. Das klingt ein wenig nach einer Spedition mit Motto: „Wir bringen’s strahlend – auch zu Ihnen nach Hause!“ Praktisch für die Anwohner: Wer zufällig im Stau neben einem der Lkw steht, spart sich künftig die Stromrechnung. Die Nachttischlampe geht von selbst an.

Von Jülich nach Ahaus – Hauptsache weg

Die Ironie der Geschichte: In Jülich ist die Betriebsgenehmigung fürs Lager schon seit 2013 abgelaufen. In jedem anderen Bereich würde das „Betrieb ohne Genehmigung“ heißen – beim Atomabfall nennt man es „Übergangslösung“. Als das NRW-Wirtschaftsministerium 2014 die Räumung anordnete, suchte man nach drei Optionen: Ab nach Ahaus, ab nach Amerika oder Neubau in Jülich. Am Ende blieb: Hauptsache, das Zeug ist nicht mehr da, wo es gerade ist.

BASE und die Nebenbestimmungen

Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) hat brav genehmigt – allerdings mit „Nebenbestimmungen“. Was genau da drinsteht, erfährt die Öffentlichkeit nicht. Vielleicht: „Bitte nicht verlieren, nicht schütteln und von Kindern fernhalten.“ Möglich auch: „Radioaktive Strahlung kann Nebenwirkungen haben, fragen Sie Ihren Arzt oder die Bundespolizei.“

Zwischenlager – das Wortungetüm der deutschen Energiewende

Endlager gibt es nicht, Zwischenlager schon – gleich sechzehn Stück. Die Logik: Wir wissen nicht, wohin mit dem Müll, also stapeln wir ihn an Orten, die im Ernstfall nur den Vorteil haben, dass man sie auf Google Maps markieren kann. Ahaus freut sich bestimmt schon auf den PR-Slogan: „Ahaus – da, wo die Zukunft strahlt.“

Protest garantiert

Die Transporte werden nicht ohne Begleitmusik ablaufen. Seit Jahren mobilisieren Aktivisten, Anwohner und Berufsdemonstranten gleichermaßen. Während die Castoren rollen, rollen Transparente mit: „Keine Strahlung auf unseren Straßen!“ oder wahlweise „Atomkraft? Nein danke – außer im Netflix-Krimi.“ Die Polizei wird wieder einmal zwischen Sitzblockaden und Schienbeinprotesten vermitteln dürfen.

Deutschland will die Atomkraft hinter sich lassen, doch der Müll fährt weiter – im wahrsten Sinne. Die Brennelemente werden von Jülich nach Ahaus geschoben wie ein ungeliebter Erbstuhl, den niemand im Wohnzimmer stehen haben will. Man nennt es „sichere Zwischenlagerung“, die Nachbarn nennen es „leuchtendes Risiko“. Und wenn der letzte Castor ankommt, bleibt die eigentliche Frage: Wer macht in 100.000 Jahren den Deckel wieder auf? Spoiler: Vermutlich nicht die SPD, CDU oder FDP – die sind bis dahin garantiert schon woanders zwischengelagert.