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Die Radklau-Vuelta – Wenn der Besenwagen zum Hehler wird
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- tmueller
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Man kennt es aus schlechten Krimis: Irgendwo knackt jemand ein Schloss, verschwindet in der Nacht – und am Morgen stehen Menschen fassungslos vor einer Lücke, die vorher voller war. Diesmal war es kein Provinzbahnhof mit Hollandrädern, sondern der teure Mechaniker-Lkw des Radsportteams Visma-Lease a Bike. Ergebnis: 18 Räder weg, rund 250.000 Euro Schaden. Wer dachte, Fahrraddiebstahl sei ein Kölner Hauptbahnhof-Problem, hat die internationale Dimension des Themas unterschätzt: Willkommen bei der Vuelta, wo offenbar selbst die Einbrecher Höchstleistungen abrufen.
Während Jonas Vingegaard noch sein rotes Trikot glattstrich, machten sich irgendwo in der Dunkelheit Leute über Carbon und Titan her – vermutlich mit mehr Watt im Bolzenschneider als Vingegaard in den Beinen. Der Radsport hat also ein neues Etappenprofil: Bergetappen, Flachetappen und Diebstahl-Etappen.
Die Schattenwirtschaft des Radsports
Dass Profiräder ein begehrtes Gut sind, überrascht niemanden. Sie sind leicht, teuer und schwer nachzuverfolgen – quasi das Bitcoin der Zweiradwelt. Wer also künftig bei eBay Kleinanzeigen ein „leicht gebrauchtes“ Vingegaard-Spezialmodell für 120 Euro sieht: zugreifen oder Polizei rufen, je nach moralischer Tagesform.
Das Team reagierte sportlich: Die Mechaniker schraubten wie im Akkord und mussten sich offenbar sogar Material ausleihen. Man kann sich die Szene vorstellen: Champions-League-Team leiht Kreisliga-Räder aus, weil jemand die Originalware im Lieferwagen geparkt hatte wie ein Kasten Bier.
Zingle, der Unglücksrabe
Parallel dazu die Nebenhandlung um Axel Zingle, der Mann, der gleich zweimal am selben Tag seine Schulter auskugelte. Ein Medizinertrauma mit eingebautem Slapstick. Erst Schulter rein, dann wieder raus, dann wieder rein – irgendwann wirkte es eher wie ein Möbelaufbau bei Ikea ohne Anleitung. Und weil es noch nicht genug war, dachte Zingle auch noch, sein Rad sei geklaut worden. In Wirklichkeit landete es im Besenwagen, also quasi im offiziellen Fundbüro des Radsports. Eine schöne Ironie: Der einzige Radklau, der keiner war, kam vom Opfer selbst.
Vingegaard fällt auch – aber eleganter
Auch der große Star selbst fiel am Sonntag hin. Doch im Gegensatz zu seinem Teamkollegen machte er das, was große Champions tun: aufstehen, weiterradeln und trotzdem gewinnen. Ein kleiner Sturz, ein Etappensieg, dazu das Rote Trikot. Während Zingle seine Schulter suchte, suchte Vingegaard die Ziellinie – und fand sie als Erster.
Spanien? Später vielleicht
Die Vuelta wirkt in diesem Jahr ohnehin wie ein Giro d’Italia mit spanischem Branding. Gestartet in Italien, dann nach Frankreich – und erst Tage später soll das Feld überhaupt spanischen Asphalt betreten. Bis dahin bleibt das Rennen eine Art rollendes Schengen-Abkommen: Grenzen offen, Fahrräder offen, Schultern offen.
Die 80. Vuelta beginnt wie eine Mischung aus Slapstick, Kriminalfall und medizinischem Lehrfilm. Jonas Vingegaard trägt das Rote Trikot, sein Team trägt das Trauma des nächtlichen Radverlusts, und Axel Zingle trägt eine Schulter, die sich offenbar nicht zwischen „drin“ und „draußen“ entscheiden kann. Man darf gespannt sein, ob die nächsten Etappen sportlich oder kriminalistisch spannender werden.