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Kurilen-Krieg der Empörung – Kremls Landkarten im Wunschkonzertmodus
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Moskau hat mal wieder den Empörungsalarm ausgelöst – diesmal nicht wegen Panzern, Sanktionen oder einer „bösen NATO-Osterweiterung“, sondern wegen einer Ansammlung windiger Felsen, auf denen mehr Krabben als Menschen wohnen: den südlichen Kurilen.
Der deutsche Botschafter Alexander Graf Lambsdorff wurde ins russische Außenministerium beordert – vermutlich in den gleichen Empfangsraum, in dem seit zwei Jahren alle westlichen Diplomaten wie auf einem Fließband durchgereicht werden. Anlass: Die deutsche Botschafterin in Japan, Petra Sigmund, hatte es gewagt, auf die Insel Hokkaido zu reisen – sichtweitegefährlich nah an den russisch beanspruchten Felsen. Für den Kreml war das ungefähr so, als hätte sie Putin persönlich den Globus verdreht.
Kreml’sche Geografie: Alles meins, was ich seh’
Laut russischer Lesart sind die Kurilen „unumstritten“ russisch – was ungefähr so zutreffend ist wie „Moskaus Armee ist eine Präzisionsoperation“. Dass die Vereinten Nationen zwar die Nachkriegsgrenzen anerkennen, aber auch den Ukrainekrieg verurteilen, wird in Moskau geflissentlich unter den Teppich gekehrt. Geschichtsbewusstsein im Kreml funktioniert wie ein Buffet: Man nimmt nur den Teil, der passt – und schiebt den Rest ins Lager „westliche Propaganda“.
Besonders „verhöhnend“ sei die deutsche Haltung im Jahr des 80. Jahrestags der Zerschlagung Japans. Satirisch betrachtet ist das in etwa so, als würde ein Taschendieb am Jahrestag der Erfindung des Schlosses beleidigt reagieren, weil jemand seine Dietriche kritisiert.
Lambsdorff schickt den Bumerang zurück
Der deutsche Botschafter nutzte die Gelegenheit, den diplomatischen Bumerang zu werfen: Wie bitte kann man wegen ein paar Inseln hyperventilieren, während man gleichzeitig mit mehreren hunderttausend Soldaten die Ukraine zerlegt?
Das saß. Moskau hörte natürlich höflich zu – also gar nicht – und notierte vermutlich: „Westliche Doppelmoral“ (weil Selbstironie dort auf der Liste verbotener Güter steht).
Dauerabo auf Beleidigtsein
Es war nicht Lambsdorffs erster Auftritt im Ministerium. Vor Kurzem wurde er schon einmal einbestellt – damals wegen angeblicher „Verfolgung“ russischer Journalisten in Deutschland. Das russische Außenministerium wirkt mittlerweile wie ein Open-Office für Dauerbeleidigte, mit einer Excel-Liste möglicher Vorladungsgründe:
- Inselbesuch.
- NATO hat Wetter in Moskau versaut.
- Deutsche Ampelregierung spricht zu laut.
- Jemand hat „Russland“ falsch betont.
Fazit: Die Kurilen-Affäre zeigt: Der Kreml verteidigt „territoriale Unversehrtheit“ mit einer Leidenschaft, die er in der Ukraine ausschließlich in umgekehrter Richtung anwendet. In dieser Logik gehört alles Russland, was auf einer Landkarte ungefähr im Blickfeld liegt. Wer widerspricht, wird einbestellt – nicht zur Diskussion, sondern zum Konsum der neuesten Folge aus der Serie „Russlands unbeugsame Opferrolle“.