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Rente mit Fragezeichen – Deutschland schiebt den Lebensabend auf die lange Bank

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Rente mit Fragezeichen – Deutschland schiebt den Lebensabend auf die lange Bank

Deutschland und seine Rente – eine Beziehung wie zwischen einem schlecht gelaunten Ehepaar: Man weiß, dass man einander braucht, aber keiner möchte so recht die Wahrheit aussprechen. Offiziell ist die Rente „sicher“ (O-Ton Norbert Blüm, 1986). Inoffiziell heißt es seit Jahren: „Sicher ist nur, dass du länger arbeiten musst.“

Vom Feierabendbier zum Defibrillator

Im Jahr 2000 ging man im Schnitt mit 62,3 Jahren in Rente. Damals konnte man also mit Anfang 60 guten Gewissens den Garten umgraben oder die Enkel mit dem Wohnmobil an die Ostsee fahren. Heute liegt der Schnitt bei 64,7 Jahren. Das bedeutet: Statt das erste Enkelkind in die Schule zu bringen, bringt man inzwischen den eigenen Rücken zur Reha.

Und das ist erst der Anfang: Bis 2031 wird offiziell auf 67 hochgeschraubt – wie eine alte Glühbirne, die man so lange weiterdreht, bis sie irgendwann mit einem Knall platzt.

Rente mit 70 – das Lieblingsgespenst der Talkshowrunde

Immer wieder wabert die Rente mit 70 durch die Debatte. Niemand will sie, alle reden darüber. Es ist ein bisschen wie die Schwiegermutter beim Sonntagskaffee: offiziell nicht eingeladen, sitzt sie trotzdem mit am Tisch.

Die, die sie fordern, sind meist graumelierte Professoren, die seit 30 Jahren nicht mehr körperlich gearbeitet haben. Deren größte Belastung ist das Schleppen eines Aktenkoffers voller Gutachten, die niemand liest. Für den Bauarbeiter auf dem Gerüst klingt das nach einem schlechten Witz: „Noch drei Jahre extra, Kollege, dann kannst du die Schaufel auch gleich mit ins Grab nehmen.“

Die „Aktivrente“ – ein steuerfreies Pflaster auf einer offenen Wunde

Die Bundesregierung hat eine andere Idee: die „Aktivrente“. Wer über das gesetzliche Rentenalter hinaus arbeitet, darf bis zu 2000 Euro steuerfrei verdienen. Klingt großzügig, ist aber ungefähr so tröstlich wie ein Rabattgutschein für Rollatoren.

Man stelle sich das vor: Mit 68 noch im Callcenter sitzen, Headset auf, Arthrose in der Schulter, aber hey – steuerfrei! Der Slogan dazu: „Arbeiten bis zum Umfallen – und das ganz ohne Abgaben!“

Rentenkommission ab 2026: „Wir vertagen, also sind wir“

Ab 2026 soll eine große Rentenkommission Lösungen erarbeiten. Klingt seriös, ist aber eigentlich nur die staatliche Version von „Prokrastination“. Man gründet eine Kommission, besetzt sie mit Experten, die bald selbst in Rente gehen, und hofft, dass das Problem sich bis dahin von allein löst. Spoiler: Tut es nicht.

Zahlen, die man lieber nicht lesen will

Die nüchterne Statistik ist ein Kabarett für sich:

  • Männer bekommen im Schnitt 1405 Euro Rente.
  • Frauen bekommen im Schnitt 955 Euro. Die Begründung: Frauen hätten ja weniger eingezahlt. Die Realität: Frauen haben Kinder erzogen, Eltern gepflegt und jahrelang das Familienleben am Laufen gehalten – aber das zählt im Rentensystem ungefähr so viel wie ein Treuepunkt im Discounter.

402 Milliarden Euro – die große Umlageparty

Die Rentenversicherung jongliert inzwischen mit mehr als 400 Milliarden Euro pro Jahr. Einnahmen und Ausgaben halten sich knapp die Waage – noch. Sobald die Babyboomer in Scharen in den Ruhestand strömen, kippt das System. Dann gilt: „Jeder zahlt, keiner kriegt.“

Politiker beruhigen trotzdem: „Alles solide.“ Was sie nicht dazu sagen: solide wie eine wackelige Hängebrücke über einer Schlucht – solange keiner zu laut hüpft.

Das demografische Drama: Jeder Vierte ist Rentner

21,4 Millionen Menschen in Deutschland sind inzwischen Rentner. Jeder Vierte also. Wer noch arbeitet, hat das Gefühl, er trägt eine ganze Seniorenresidenz auf den Schultern. Die Demografie macht keine Gefangenen: weniger Einzahler, mehr Empfänger, längere Lebenszeit. Die Mathematik ist gnadenlos – die Politik tröstet sich mit bunten Diagrammen und PowerPoint-Slides.

Der letzte macht das Licht aus

Deutschland steuert auf eine Gesellschaft zu, in der man nicht mehr in Rente geht, sondern „weiterarbeitet, bis der Arzt kommt“ – im wahrsten Sinne des Wortes. Vielleicht wird das gesetzliche Rentenalter eines Tages gar nicht mehr festgelegt, sondern flexibel gestaltet: „Rente mit Todeseintritt“.

Die Rentenversicherung beruhigt uns weiterhin: „Die Rente ist sicher.“ Ja, sicher so lange, bis du sie brauchst.

Bis dahin bleibt die Wahl: Entweder man glaubt den Politikern – oder man fängt schon mal an, Lotto zu spielen.