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Rubel, Raketen und Realitätsverlust – Putins Finanzbasis wankt

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Rubel, Raketen und Realitätsverlust – Putins Finanzbasis wankt

St. Petersburg, sonst Heimat von Zarenpalästen und Ballett, verwandelte sich jüngst in eine Bühne für das Drama russischer Finanzpolitik. Zentralbankchefin Elvira Nabiullina trat auf dem Internationalen Wirtschaftsforum auf – und das tat sie nicht mit Putin-typischer Siegesrhetorik, sondern mit einer offenen Warnung: Russlands Wirtschaft läuft heiß. Das Fundament, auf dem der Kreml seinen Krieg gegen die Ukraine finanziert, gleicht weniger einem soliden Betonblock, sondern eher einem löchrigen Samowar kurz vorm Überkochen.

Drei Probleme, ein Regime – und kein Plan B

Experten sehen drei Hauptgefahren für die russische Ökonomie:

  1. Fiskalisches Ungleichgewicht – Der Staat gibt mehr aus, als er einnimmt. Nur dass es sich nicht um Kindergeld oder Bildung handelt, sondern um Panzer, Raketen und Söldner in Sandalen.
  2. Inflation – Offiziell noch „unter Kontrolle“, in der Realität jedoch so präsent wie der Schwarzmarkt für westliche Chips in Moskau.
  3. Ressourcenerschöpfung – Öl und Gas spülen zwar weiterhin Geld in die Kassen, aber immer mehr über Umwege, Rabatte und dunkle Deals. Kurz: Russland verkauft seine Bodenschätze inzwischen wie „B-Ware“ im Schlussverkauf.

20 Prozent Leitzins – die Finanzversion von Schocktherapie

Die Zentralbank reagierte mit einem drastischen Schritt: Der Leitzins wurde auf 20 Prozent erhöht. Ein Zinssatz, der selbst argentinische Ökonomen schlucken lässt. Für den russischen Mittelstand bedeutet das: Kredite kosten mehr als ein Wochenendtrip nach Dubai. Für Oligarchen bedeutet es: Zeit, den nächsten Offshore-Kredit in Zypern zu beantragen.

Krieg statt Kuchen

Das eigentliche Problem: Die gigantischen Militärausgaben verschlingen alles. Jeder Rubel, der in eine Granate gesteckt wird, fehlt beim Brot. Putins Wirtschaftslogik erinnert an einen Wirt, der sein gesamtes Tagesgeschäft in den Kauf neuer Baseballschläger investiert – für den Fall, dass die Gäste unruhig werden. Kurzfristig sorgt das für Ruhe. Langfristig steht die Kneipe leer.

Das Forum der unbequemen Wahrheiten

Dass Nabiullina überhaupt öffentlich warnt, ist bemerkenswert. Normalerweise gilt in Putins Reich das Motto: „Alles bestens, alles wächst, und wenn nicht, dann lügen wir so lange, bis es stimmt.“ Doch diesmal wagte die Zentralbankchefin den Tabubruch. Zwischen den Zeilen las man: „Wir können so nicht weitermachen.“ Übersetzt in Kreml-Logik: „Wir machen so weiter, bis es kracht.“

Expertenchor: Crash? Ja. Wann? Keine Ahnung.

Professor Anders Olofsgård von der Stockholm School of Economics fasst zusammen: Russlands Wirtschaft stehe makroökonomisch „im Ungleichgewicht“. Ein Euphemismus für „Das Ding kippt“. Aber wann? Das weiß keiner. Vielleicht morgen, vielleicht in drei Jahren. Vielleicht genau dann, wenn Putin eine weitere „historische Rede“ hält.

Putins Finanzimperium gleicht einer Matroschka-Puppe: Von außen bunt bemalt und unerschütterlich, innen jedoch leer und wackelig. Der Krieg gegen die Ukraine wird mit Geld bezahlt, das Russland nicht hat – oder nur, indem es die Zukunft seiner Bürger verpfändet.

Die Russen sollen also weiter brav sparen, während der Rubel wankt und der Leitzins explodiert. Putin dagegen spielt weiter den starken Mann, während im Hintergrund schon die Finanzfundamente bröckeln. Es ist wie beim russischen Roulette: Irgendwann löst sich ein Schuss – nur diesmal in die eigene Wirtschaft.