- Veröffentlicht am
- • Politik
Warschau Calling – Warum immer mehr Polen Deutschland den Rücken kehren und lieber wieder in einem Land leben, in dem wenigstens die Dusche funktioniert
- Autor
-
-
- Benutzer
- tmueller
- Beiträge dieses Autors
- Beiträge dieses Autors
-

Berlin-Neukölln, 07:42 Uhr: Ein lauter Schrei hallt durch das Altbau-Treppenhaus. Piotr Kowalski hat sich wieder mal beim Duschen verbrüht. Nicht, weil er das Wasser zu heiß eingestellt hat – sondern weil es seit 12 Jahren keinen Kaltwasseranschluss mehr gibt. Und der Hausmeister ist wie immer: unsichtbar, unzuständig und wahrscheinlich längst nach Polen gezogen.
„Deutschland, das war mal ein Land der Ingenieure, jetzt ist es ein Museum mit Internetanschluss“, erklärt Kowalski mit dem trockenen Humor eines Mannes, der täglich um sein Duschüberleben kämpft. Seine Lösung? Ein Gartenschlauch aus dem Baumarkt, verbunden mit einem alten Samowar und viel Gottvertrauen.
Die Duschkatastrophe als Nationen-Metapher
Was für Piotr die Dusche ist, ist für andere die Steuererklärung, das Standesamt oder der Versuch, in Deutschland ein Auto zu leasen, ohne zuvor das Große Latinum, einen Leumund der Bundeskanzlei und ein schriftliches Ehrenwort bei der Schufa abgelegt zu haben.
Seine Frau Katarzyna, Erzieherin, erzählt: „Ich wollte in Deutschland einen Leasingvertrag. Die Antwort war: ‚Sie sind selbstständig – und damit existieren Sie für uns nicht.‘“ Sie bekam schließlich einen Vertrag – in Polen. Per Telefon. In unter acht Minuten. Und vermutlich noch mit einem kostenlosen Wellnesswochenende in der Masurischen Seenplatte.
Die Bürokratie-BDSM-Beziehung der Deutschen
Der Autor Robert Lewandowski geht noch einen Schritt weiter. Aus Berlin zurückgekehrt, bezeichnet er Deutschland als „Failed State“. Natürlich satirisch, aber auch mit dem Hauch bitterer Wahrheit, den nur jemand spürt, der drei Monate auf einen Bürgeramtstermin gewartet hat – für einen neuen Personalausweis, der dann mit Tippfehler ankam.
Lewandowski sagt: „In Polen gibt’s Probleme – aber in Deutschland ist das Problem der Normalzustand.“ Sein Horror: digitale Formulare. Nicht, weil sie schwer wären, sondern weil sie nicht existieren. In deutschen Amtsstuben regiert noch das FAX – jenes Relikt aus einer Zeit, in der Angela Merkel noch auf dem Walkman lief.
Vom Pfennigfuchser zum Zlotykönig
Die Wirtschaft floriert – in Polen. Seit Jahren wächst das Bruttoinlandsprodukt so rasant, dass selbst die polnische Regierung kaum noch mit dem Einholen von Auszeichnungen hinterherkommt. Ein Chip-Werk von Intel hier, ein Bürokrat weniger da, und schon denkt der Westen: Moment mal, die können nicht nur Kartoffeln, sondern auch Cloud-Computing?
Deutschland schaut derweil ratlos über den Tellerrand und fragt sich: „Warum wollen die jetzt wieder zurück?“ Die Antwort ist einfach:
- Weil der polnische Staat inzwischen digitaler ist als viele deutsche Tech-Startups.
- Weil es in Warschau mehr funktionierende Duschen gibt als funktionierende Bürgerämter in Berlin.
- Und weil man in Polen keine dreijährige Wartezeit hat, um sein Auto anmelden zu dürfen – sondern das sogar samstags machen kann. Mit Kaffee. Und WLAN.
Berlin als Warnung – Warschau als Vision
Kowalski letzte Hoffnung in Berlin? Ein Handwerker, der 2014 „nur kurz was aus dem Auto holen wollte“. Spoiler: Der Wagen ist bis heute nicht zurück. Wahrscheinlich steht er mittlerweile auf einem Parkplatz in Breslau, frisch geleast, von einem Polen, der nie einen Mietvertrag in Deutschland unterschrieben hat – weil es keine lesbaren gibt.
Polen ist das neue Deutschland – und Deutschland ist das neue Feuilleton der Bürokratie
Wer dachte, Rückmigration sei ein Zeichen von Scheitern, liegt falsch. Sie ist ein stiller Protest gegen kalte Duschen, warme Antragsformulare und die irrationale Gläubigkeit der Deutschen an die Heilige Dreifaltigkeit aus Faxgerät, GEZ und Meldezettel.
In Polen sagt man mittlerweile:
„Du warst in Deutschland? Ach, du Ärmster.“
Die neue Realität ist: Wer was erreichen will, geht nicht mehr nach Westen. Sondern zurück in die Heimat, wo es Zloty regnet und der Duschkopf keine thermonukleare Bedrohung darstellt.
Und wenn eines Tages deutsche Behörden in Warschau eine Exilregierung gründen, wird Piotr Kowalski sagen: „Hab ich euch doch gesagt – in Polen läuft’s. Sogar das Wasser.“