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Bundestag tanzt jetzt auf TikTok – Demokratie im 15-Sekunden-Clip

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Bundestag tanzt jetzt auf TikTok – Demokratie im 15-Sekunden-Clip

Berlin – Der Bundesetat 2025 bringt nicht nur Zahlenkolonnen, sondern auch eine Portion Entertainment. Statt grauer Debattenprosa setzt die Bundestagsverwaltung künftig auf Social Media. Fünf zusätzliche Stellen gibt es für das Social-Media-Team. Präsidentin Julia Klöckner hat die Mission klar umrissen: mehr Reichweite, mehr Likes, mehr Herzchen. Demokratie soll nicht länger nur im Plenarsaal gespielt werden – sondern auch auf TikTok, zwischen Katzenvideos und Dancemoves.

Vom Referat zur Pressestelle: Demokratie bekommt ein neues Zuhause

Das bisherige Social-Media-Referat wird abgeschafft und in die Pressestelle eingegliedert. Klingt nach Verwaltungslogik, die man nur mit zwei Bier versteht: Statt die Kompetenzen auszubauen, verschiebt man sie – und nennt das „Reform“. Praktisch ist dabei, dass Klöckners Vertrauter Mathias Paul die Pressestelle leitet. So bleibt das Ganze schön im innerparteilichen Familienalbum.

TikTok: Vom Gesetzesblatt zum Lip-Sync

Die Idee, den Bundestag auf TikTok zu bringen, klingt visionär – oder nach einer Satire, die keiner mehr als Satire erkennt. Wo sonst kann man komplexe Gesetzgebungsverfahren in 15 Sekunden erklären? „Haushaltsausschuss genehmigt fünf Stellen“ wird dann vielleicht mit einem trendigen Sound unterlegt, während ein Abgeordneter synchron die Lippen bewegt und dabei so tut, als wäre er ein gelangweilter Teenager auf Klassenfahrt.

Datenschutz: Ach, das alte Lied

Doch wie immer, wenn die Politik Social Media entdeckt, kommt der Datenschutz wie ein nörgelnder Onkel ins Spiel. Der Wissenschaftliche Dienst verweist auf ein Gutachten: TikTok sei datenschutzrechtlich ungefähr so vertrauenswürdig wie ein Gebrauchtwagenhändler ohne Gewerbeschein. Minderjährige, Cookies, manipulative Designs, Bußgelder in dreistelliger Millionenhöhe – die Liste der Vergehen ist länger als eine Bundestagsdebatte zum Thema Pendlerpauschale.

Die Bundesdatenschutzbeauftragte erinnert daran, dass TikTok gar nicht bereit sein könnte, eine gemeinsame datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit zu unterschreiben. Aber hey – wer will schon Verträge, wenn man dafür ein virales Meme bekommen kann?

Offene Fragen: Urheberrecht und GIF-Diplomatie

Noch völlig unklar ist, wie der Bundestag mit urheberrechtlich geschützten Sounds und Memes umgeht. Wer trägt die Verantwortung, wenn ein Abgeordneter beim Haushaltsausschuss auf „Barbie Girl“ tanzt? Oder wenn ein virales GIF von Olaf Scholz versehentlich in einer Bundestagsstory landet? Das Justiziariat darf sich schon mal Popcorn bereitlegen.

Demokratie im Ringlicht

Befürworter sehen dagegen eine historische Chance: Demokratie dort erklären, wo die Menschen sind. Und die sind nun mal nicht im Parlamentsfernsehen, sondern auf Plattformen, auf denen Influencer*innen ihre Morgenroutine zeigen. „Demokratische Teilhabe beginnt mit Sichtbarkeit“, so der Wissenschaftliche Dienst. Übersetzt: Wenn der Bundestag schon unsichtbar langweilig ist, dann wenigstens sichtbar peinlich.

Ich Fünf neue Stellen für Social Media – das ist mehr als so manche Kommune für ihre gesamte Öffentlichkeitsarbeit hat. Während draußen über Heizkosten, Infrastruktur und Lehrermangel gestritten wird, experimentiert der Bundestag mit TikTok. Vielleicht erklärt bald ein Abgeordneter mit Greenscreen-Hintergrund und Voiceover, wie das Haushaltsrecht funktioniert. Oder es gibt den neuen Trend: „Bundestag explained in 60 seconds“.

Ob das am Ende die Demokratie stärkt oder nur für ein paar Lacher sorgt, wird sich zeigen. Aber eines ist sicher: Wenn die Politik ins Bierzelt geht, klingt es nach Blasmusik. Wenn sie ins Internet geht, klingt es nach „TikTok trending sound #347“.