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Politik

Kinderzimmer auf Rädern – Deutschland streitet über den fahrbaren Aschenbecher

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Kinderzimmer auf Rädern – Deutschland streitet über den fahrbaren Aschenbecher

Deutschland hat wieder eine Debatte, die klingt wie ein Relikt aus der Zeit, als man noch in Zügen Abteile mit dem Schild „Raucher/Nichtraucher“ trennte und die einzige Luftgrenze das kleine Plexiglasschild war: das Rauchverbot im Auto, wenn Kinder oder Schwangere mitfahren. Klingt nach gesundem Menschenverstand? Ja. Bedeutet das, dass es politisch durchgeht? Wohl eher so wahrscheinlich wie ein veganer Grillabend bei der CSU.

Politik im Nebel – die Bühne

Die Gesundheitsministerin spricht vorsichtig von „Prüfen“, die Länder blasen den Rauchmelder an, und die Verbände schreien seit Jahren: „Überfällig!“ – ungefähr so wie die Zahnarztuntersuchung, die man seit drei Jahren verschiebt.

Währenddessen sitzen irgendwo im Land noch immer Väter im Opel Zafira, die sich bei 32 Grad Außentemperatur mit Kippe im Mundwinkel und Kind im Maxi-Cosi für die Speerspitze der persönlichen Freiheit halten. Freiheitskämpfer mit Marlboro – die Freiheitsstatue hätte ihre Fackel sicher schon lange gegen eine Filterzigarette getauscht.

Das Argument der Gegner: Freiheit, Baby!

Die Gegner dieses Verbots, allen voran konservative Stimmen, argumentieren so: „Was bringt es, nur im Auto zu verbieten? Zu Hause rauchen die Eltern doch auch!“ – Das ist ungefähr so, als würde man ein Tempolimit ablehnen, weil man ja sowieso zu Hause die Treppe runterfallen könnte.

Die Rauchfreiheit im Auto wird plötzlich zum heiligen Gral der Bürgerrechte erklärt. Man darf den Eindruck gewinnen, dass es in Deutschland keine wichtigeren Freiheitsfragen mehr gibt als das Recht, seinem Nachwuchs auf der Rückbank eine Lunge Marke „Berliner Stadtautobahn“ zu verpassen.

Die Befürworter: Kinderlunge schlägt Qualmfreiheit

Die Befürworter dagegen klingen wie der Chor der Vernunft: „Kinder können sich nicht wehren.“ Stimmt. Außer natürlich, das Dreijährige schnallt sich ab, macht die Tür auf und ruft: „Macht euren Scheiß alleine!“ – was vermutlich der bessere Reality-Check für die Rauchenden wäre.

Medizinische Fakten sind eindeutig: Passivrauchen verursacht Atemwegserkrankungen, Lungenprobleme, erhöht das Risiko für spätere Krankheiten. Aber das alles ist in der politischen Debatte fast nebensächlich. Hier geht es um Symbole.

Das Drama im Bundesrat: Ein Gesetz wie eine Zigarettenkippe

Die Länder wollen also ein Gesetz. Doch wir kennen den Ablauf: Im Bundesrat ist die Empörung groß, die Anträge klingen stark – und am Ende landet der Gesetzentwurf im Bundestag, wo er zur Schachtel Placebo-Zigaretten verarbeitet wird. Heraus kommt ein „Kompromiss“, bei dem Rauchen im Auto nur dann verboten wird, wenn gleichzeitig ein Kinderlied im Radio läuft und die Zigarette nicht aus nachhaltigem Anbau stammt.

Gesellschaftliche Ironie: Raucher gegen Rauchverbot

Die Gesellschaft reagiert vorhersehbar gespalten. Auf Twitter schreibt einer: „Das ist Diktatur!“, während er sein eigenes Kind mit einem Tablet ruhigstellt, das längerfristig vermutlich mehr Schaden anrichtet als eine Zigarette. Andere feiern das geplante Verbot als „endlich Vernunft im Blechkasten“.

Es ist die große Ironie: Deutschland, das Land der DIN-Normen, TÜV-Vorschriften und Steuererklärungen in 72 Formularen, muss allen Ernstes über ein Rauchverbot im Auto streiten – weil es offenbar nicht selbstverständlich ist, dass man sein Kind nicht wie einen Schornstein behandelt.

Ausblick: Die Zukunft der Rauchpolitik

Wenn es so weitergeht, dürfen wir uns schon jetzt auf die nächste Debatte freuen: „Rauchverbot im Kinderwagen“ oder „Bitte nicht paffen beim Stillen“. Vielleicht kommt auch das Modellprojekt „rauchfreier Spielplatz“ – mit Ausnahme für Kettensägen-Väter, die „nur eine durchziehen“.

Und während Politiker sich in Talkshows die Köpfe heißreden, sitzen irgendwo in Deutschland wieder zwei Achtjährige auf der Rückbank eines Passats, atmen Zigarettenqualm ein und fragen sich, ob man nicht einfach die Fenster runterkurbeln könnte. Antwort: Nein, Papa hat gerade gesagt, das zieht.

Deutschland schafft es mal wieder, eine Frage der Selbstverständlichkeit in ein Politikspektakel zu verwandeln. Statt klarer Regeln gibt es Rauchschwaden aus Parteitaktik, Freiheitspathos und halbgaren Argumenten. Und am Ende bleibt die Erkenntnis: Das einzig wirklich Überfällige ist nicht das Gesetz, sondern die Erkenntnis, dass man seinen Nachwuchs vielleicht nicht wie ein mobiles Aschenbecher-Zubehör behandeln sollte.