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Trumps 85-seitige Klageschrift – wenn Recht zur Reality-Show wird
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Man stelle sich vor: Ein US-Bundesrichter erwartet eine nüchterne, präzise und maximal 40 Seiten lange Klageschrift. Donald Trump liefert stattdessen 85 Seiten – ein Werk irgendwo zwischen juristischem Dokument, Wahlkampfrede und Ego-Biografie. Der Richter blättert, liest, runzelt die Stirn – und wirft das ganze Manuskript zurück auf den Stapel „Unbrauchbar“.
So geschehen in Florida, wo Richter Steven Merryday kurzerhand Trumps 15-Milliarden-Dollar-Klage gegen die New York Times abblitzen ließ. Begründung: zu detailliert, zu lang, zu sehr Speakers’ Corner und zu wenig juristisch. Oder in Kurzform: „Herr Präsident, das hier ist kein Open-Mic-Abend.“
15 Milliarden Dollar – für zwei Artikel und ein gekränktes Ego
Trumps Forderung: umgerechnet 12,7 Milliarden Euro Schadenersatz, weil die New York Times in Artikeln und einem Buch gewagt hatte, seine glorreiche Karriere in Relation zu setzen. Die Times-Journalisten Russ Buettner und Susanne Craig beschrieben nüchtern, dass Trump seine nationale Berühmtheit in erster Linie Mark Burnett und der Reality-Show The Apprentice verdankt.
Trumps Konter: „Fake News! Ich war schon davor eine Mega-Berühmtheit und ein enorm erfolgreicher Geschäftsmann!“ Blöd nur, dass seine „Erfolgsgeschichte“ zu weiten Teilen aus Bankrotten, Steuerschlupflöchern und einer Vorliebe für goldene Wasserhähne besteht. Aber im Trump-Kosmos gilt: Wenn man sich selbst für den Nabel der Welt hält, muss die Welt eben nachziehen – notfalls per Gerichtsbeschluss.
85 Seiten Trump pur
Das Dokument, das der Richter auf den Tisch bekam, liest sich Berichten zufolge weniger wie eine juristische Anklage, sondern wie ein Trump-Redeschwall im Wahlkampfmodus: • Beleidigungen gegen die „radikale linke“ Presse, • Selbstlob („größter Geschäftsmann aller Zeiten“), • Nebenkriegsschauplätze, etwa die angebliche Bevorzugung von Kamala Harris durch die Times, • und natürlich jede Menge Großbuchstaben.
Der Richter machte klar: Eine Klageschrift sei kein Platz für Propaganda und kein „Megafon für Öffentlichkeitsarbeit“. Wer Trump kennt, weiß: genau das war vermutlich der Hauptzweck.
Der Richter als unfreiwilliger Lektor
Richter Merryday ordnete an: Trump hat 28 Tage Zeit, die Klage zu überarbeiten und dabei auf 40 Seiten zu kürzen. Das ist, als würde man Hemingway bitten, „Krieg und Frieden“ auf einen Einkaufszettel zusammenzufassen. Doch vielleicht ist genau das die Lektion: Weniger „Greatest Showman“, mehr juristische Substanz.
Trumps juristische Greatest Hits
Es ist nicht die erste Attacke gegen die Presse. Trump verklagte schon CBS, ABC und das Wall Street Journal. Mal einigte man sich auf Vergleiche in Millionenhöhe, mal verpuffte die Attacke wie eine schlecht gezündete Silvesterrakete. Das Muster bleibt gleich: Kritik trifft, Trump klagt. Kritiker nennen es eine Einschüchterungsstrategie, Trump selbst nennt es „mein gutes Recht“.
Besonders absurd: Parallel fordert er in einem anderen Verfahren 10 Milliarden vom Wall Street Journal, weil dieses einen Geburtstagsbrief an Jeffrey Epstein erwähnt hatte. Frei nach dem Motto: Wenn schon verklagen, dann richtig teuer.
Die große Ironie: Mr. „Cancel Culture“ betreibt Cancel Culture
Über Jahre wetterte Trump gegen die angebliche „Cancel Culture“ der Linken. Doch was macht er nun? Er versucht, unliebsame Journalisten mit Milliardensummen aus dem Feld zu schlagen. Freiheitsrechte gelten offenbar nur, solange sie ihm nützen – alles andere ist „böswillig verbreitete, faktenfreie Erzählung“.
Die New York Times reagierte gelassen: „Die Klage entbehrt jeder legitimen Rechtsgrundlage und ist vielmehr ein Versuch, unabhängige Berichterstattung zu unterdrücken.“ Übersetzung: „Wir kennen das Spiel – und wir spielen nicht mit.“
Ein Megafon in Roben
Die Klage ist weniger ein juristisches Instrument, sondern Teil einer PR-Show. Trump nutzt das Gericht wie eine Bühne, die Klageschrift als Drehbuch und die Medien als unfreiwillige Statisten. Richter Merryday hat ihm nun einen Strich durch die Dramaturgie gemacht.
Bleibt die Frage: Kann Trump eine Klageschrift wirklich auf 40 Seiten eindampfen? Wahrscheinlich endet es damit, dass er 39 Seiten voller Eigenlob und eine Seite mit dem eigentlichen Vorwurf einreicht.
Oder, um es mit den Worten eines Beobachters zu sagen: „Trump wollte die Pressefreiheit knebeln – scheiterte aber erst einmal an der Zeichenzahl.“