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Wenn der Gerichtsvollzieher die Losung abholt – Das teure Hobby mit alten Parolen
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- tmueller
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Karlsruhe/Halle – Es gibt Hobbys, die kosten Geld: Briefmarkensammeln, Modelleisenbahnen, Golf. Und dann gibt es noch das Spezialinteresse mancher Politiker: das nostalgische Zitieren von Parolen aus der Mottenkiste der SA. Blöd nur, dass dieses Hobby nicht nur politisch zweifelhaft ist, sondern auth. richtig teuer werden kann. Der Bundesgerichtshof hat es nun bestätigt: Wer „Alles für Deutschland“ in die Menge brüllt, bekommt kein Applaus-Echo, sondern eine Rechnung vom Gericht.
Von der Bühne ins Beweisprotokoll
Zweimal war es passiert: Einmal sprach er die Parole selbst, einmal ermunterte er sein Publikum, sie zu vervollständigen. Für die Fans im Saal vielleicht ein kurzer Gänsehautmoment, für die Staatsanwaltschaft ein Geschenk, das man mit laufender Kamera entgegennahm. Das Landgericht Halle ließ sich nicht lange bitten: 16.900 Euro Strafe beim ersten Mal, 13.000 Euro beim zweiten Mal. Macht zusammen: fast 30.000 Euro – also ungefähr das Budget für 500 Wahlplakate mit der Aufschrift „Man wird ja wohl noch sagen dürfen“.
Revision als Endlosschleife
Natürlich legte er Revision ein. Schließlich gilt: Wer schon in der Vergangenheit lebt, hält sich auch juristisch gern an alte Muster – immer wieder das Gleiche versuchen, in der Hoffnung, dass es diesmal klappt. Der BGH aber ließ ihn abblitzen. Kein Fehler erkennbar, keine Schlupflöcher, kein Bonuslevel. Besonders deutlich: Abgeordneter hin oder her, Immunität schützt nicht, wenn man statt Politik Parolen rezitiert.
Wenn die Freiheit der Rede zur Freiheit der Rechnung wird
Die Pointe ist so simpel wie bitter: Einer, der immer wieder von „Meinungsfreiheit“ spricht, bekommt nun ein Musterbeispiel dafür, dass Worte Konsequenzen haben. Frei reden darf man viel – aber manche Sätze sind wie heiße Herdplatten: Wer sie anfasst, verbrennt sich. In diesem Fall am Geldbeutel. Die große Losung „Alles für Deutschland“ mutierte zur kleinen Realität „Alles für die Gerichtskasse“.
Die Partei und die Kunst der Betroffenheitsmimik
Die Parteifreunde reagierten wie immer: öffentlich betroffen, innerlich genervt. Man wird wieder etwas von „politischer Justiz“ hören, von „Verfolgung der Opposition“ und natürlich von der „Meinungsfreiheit“. Doch im Hinterzimmer dürfte die Stimmung eher so sein: „Nicht schon wieder! Wir haben doch noch gar nicht den letzten Shitstorm verdaut, und jetzt müssen wir die Parteikasse als Strafkatalog führen.“
Historische Satire in Reinkultur
Man stelle sich vor: Da steht einer auf der Bühne, ruft eine Parole, die schon vor 80 Jahren in den Giftschrank hätte wandern sollen, und wundert sich dann, dass die Justiz das nicht unter „Gedächtnissport“ verbucht. Der BGH hat deutlich gemacht: Es spielt keine Rolle, ob ein Spruch auch mal im Kontext eines alten Sprüchekalenders auftauchte – wenn eine verbrecherische Organisation ihn sich zu eigen gemacht hat, ist er tabu. Punkt.
Politisches Bingo fast voll
Die Vita liest sich mittlerweile wie ein politisches Bingo-Spiel: umstrittene Reden, peinliche Auftritte, interne Skandale, jetzt noch rechtskräftige Verurteilungen. Fehlt nur noch ein Eintrag wegen zu lautem Niesen im Bundestag, und das Feld ist komplett. Für einen Politiker, der gern von „den einfachen Leuten“ spricht, ist das bitter – die einfachen Leute wissen nämlich: Wer Parolen aus der Vergangenheit zitiert, bekommt keine Revolution, sondern Rechnungen.
Teure Nostalgie
So bleibt von der großen Inszenierung am Ende nur eine kleine Randnotiz: Statt Heldengeschichten gibt es Gerichtsurteile, statt Volksnähe gibt es Vollstreckungsbescheide. Und statt „Alles für Deutschland“ heißt es nun: „Alles für die Justizkasse – und bitte in kleinen Scheinen.“
Der Mann hat es geschafft, Geschichte nicht nur zu wiederholen, sondern auch in Raten abzubezahlen.