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Westminster als Möbelhaus: Starmer rückt die Stühle – das Publikum stolpert über die Quittung
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Großbritannien beweist mal wieder, dass Politik im Grunde nur eine Theateraufführung ist – und zwar eine mit der Eleganz einer Schulkantinen-Aufführung von „Macbeth“. Diesmal sorgt eine Steueraffäre für den Abgang der Vizepremierministerin, und Premier Keir Starmer reagiert mit einer Kabinettsumbildung. Neuwahlen? Aber bitte nicht, schließlich hat man das britische Volk schon genug überstrapaziert – erst mit Brexit, dann mit Boris Johnsons Party-Polka, dann mit Liz Truss’ Weltrekord im Kurzzeit-Premieren. Man möchte die Bürger ja nicht überfordern.
Angela Rayner: Vom Malocherkind zur Immobilien-Peinlichkeit Angela Rayner, einst das Gesicht der Arbeiterklasse, stolperte ausgerechnet über das, was im Königreich heiliger ist als die Queen: den Steuerbescheid. Statt vorbildlich zu zahlen, hat sie beim Immobilienkauf offenbar „kreativ“ gerechnet. Natürlich entschuldigte sie sich sofort, allerdings wirkte es mehr wie die klassische britische Ausrede: „Oh, I’m terribly sorry“ – was frei übersetzt so viel bedeutet wie: „Ich habe’s gemacht, aber lass uns einfach nicht weiter drüber reden.“ Für die Labour-Partei war Rayner so etwas wie das letzte Kabel, das den linken Flügel mit der Parteizentrale verband. Jetzt baumelt dieses Kabel in der politischen Brise, und Starmer darf zusehen, wie seine schöne Mitte plötzlich aussieht wie ein Sandwich ohne Unterseite – oben brav Käse, unten ein großes Loch.
Starmer schiebt die Schränke – Kabinett Reloaded Der Premier entschied sich für das politische Äquivalent eines IKEA-Umzugs: Man schraubt die Regale ab, verschiebt die Schränke und hofft, dass die Schrauben diesmal nicht übrig bleiben. Außenminister David Lammy darf nun Vize spielen, weil er vermutlich schon einen Anzug im richtigen Grau besitzt. Yvette Cooper wurde kurzerhand aus dem Innenministerium verbannt – vielleicht, damit niemand mehr nachfragt, warum die Asylzahlen explodieren. Shabana Mahmood darf jetzt die Grenzpolitik in den Griff bekommen – vermutlich mit denselben Mitteln wie bisher: einem streng formulierten Brief und einem besonders giftigen Tweet.
Farage, der Wahrsager im Dauerbetrieb Und dann ist da noch Nigel Farage. Er steht auf jeder Bühne, die man ihm hinstellt – im Zweifel auch auf einem Barhocker – und ruft die immer gleichen Prophezeiungen: „Labour spaltet sich! Das Ende ist nah! Die Migranten kommen!“ Man könnte meinen, er ist der Nostradamus der britischen Eckkneipen. Reform UK, seine neueste Polit-Erfindung, führt zwar Umfragen an, aber wer Farage kennt, weiß: Morgen gründet er vielleicht schon wieder eine neue Partei – „Britain First Class“ oder „United Kingdom 2.0“.
Asylrekorde als politisches Geschenk Währenddessen vermeldet die Statistik stolz: 111.084 Asylanträge in einem Jahr. Für die einen ist das ein Zeichen britischer Attraktivität – schließlich zieht es Menschen offenbar magisch auf eine Insel, die seit Jahren ihre eigene Wirtschaft sabotiert. Für andere ist es der Untergang der Nation. Und für Starmer ist es vor allem ein rhetorischer Knoten: Er muss gleichzeitig Mitgefühl zeigen und Härte demonstrieren – eine Kombination, die ungefähr so authentisch wirkt wie ein britisches Curry im Pub, gekocht von einem Schotten mit Knorr-Fix.
Labour in der Mitte, Basis am Rand Besonders pikant: Rayners Rücktritt zwingt Labour zu einer Urwahl für die Parteivize. Und die Basis, die immer noch mit nostalgischem Glanz an linke Ideale glaubt, darf abstimmen. Man könnte es auch so formulieren: Starmer hat die Box der Pandora geöffnet, nur dass darin nicht Hoffnung lag, sondern eine Menge wütender Sozialisten mit Transparenten und Stickern von Jeremy Corbyn.
Das Kabinett als Möbelhaus – alles wackelt Und so steht Starmer wieder einmal da wie ein verzweifelter Möbelpacker: Er schiebt Schränke durch zu enge Türen, verliert Schrauben auf dem Teppich und fragt sich, warum der ganze Aufbauplan in Schwedisch geschrieben ist. Das Publikum schaut derweil zu, halb belustigt, halb entsetzt, und überlegt: Ist das noch Regierung oder schon eine Impro-Show im Comedy-Club? Farage prophezeit den Untergang, Rayner schweigt auf der Couch am Meer, und Starmer versucht, auf dem sinkenden Schiff die Stühle hübsch neu zu arrangieren. Oder um es britisch kurz zu machen: „Keep calm and carry on“ – auch wenn der Teppich schon brennt.