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Der Friedensnobelpreis und der Mann, der ihn sich trotzdem gibt
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Oslo / Washington / Mar-a-Lago. Es ist wieder Nobelpreiszeit, und während in Norwegen Frieden gefeiert wird, herrscht in Florida – mal wieder – diplomatischer Bürgerkrieg. Denn: Donald J. Trump hat den Friedensnobelpreis nicht bekommen. Zum wiederholten Male. Und zum wiederholten Male sieht er das anders.
Laut eigenen Angaben wurde er aber trotzdem angerufen – ausgerechnet von der diesjährigen Preisträgerin, María Corina Machado aus Venezuela. Sie habe ihm den Preis gewidmet, sagte Trump stolz. Oder, um es in seiner typischen Bescheidenheit auszudrücken:
„Sie hat gesagt, niemand auf der Welt hat mehr Frieden gebracht als ich – vielleicht Jesus, aber das ist knapp.“
Die Venezolanerin, eine bekannte Oppositionsführerin, dürfte diesen Satz nie gesagt haben. Aber das spielt im politischen Märchenland Mar-a-Lago keine Rolle. Denn dort gilt ein einfaches Prinzip: Wenn Trump es sagt, wird’s schon irgendwie wahr.
Oslo: Applaus für die Demokratie – und ein Schatten aus Florida
In der norwegischen Hauptstadt feierten Diplomaten, Menschenrechtler und Journalistinnen die Vergabe des Friedensnobelpreises an Machado. Begründung des Komitees:
„Für ihren unermüdlichen Einsatz für Demokratie, Freiheit und friedlichen Wandel in Venezuela.“
Ein schöner Moment, den die Welt dringend brauchte. Doch kaum hatte der Vorsitzende des Komitees die Worte ausgesprochen, wurde der Livestream aus Oslo in den USA mit einer Eilmeldung übertönt: „TRUMP CLAIMS PRIVATE NOBEL CONVERSATION.“
In Trumps Erzählung hatte Machado ihn persönlich angerufen, um ihm zu sagen, dass sie den Preis eigentlich für ihn gewonnen habe. Er habe „großartig reagiert“, versicherte er später auf Truth Social:
„Ich habe nicht gesagt: ‚Dann geben Sie ihn mir‘ – aber ich dachte es sehr laut.“
Ein Sprecher des Weißen Hauses kommentierte das Ereignis nüchtern:
„Der Präsident hat großes Mitgefühl für Menschen, die nicht gewinnen. Er kennt dieses Gefühl gut – vom Volk, vom Gericht und vom Komitee.“
María Corina Machado: Heldin wider Willen
Die 58-jährige Preisträgerin aus Caracas, die ihr Land seit Jahren unter Lebensgefahr gegen Diktatur und Korruption verteidigt, hat offenbar nur eines falsch gemacht: Sie erwähnte in einem höflichen X-Post (ehemals Twitter) tatsächlich Trumps Namen – als Dank für „seine Unterstützung der Sache Venezuelas“.
Ein höflicher Satz, eine diplomatische Floskel – und schon wurde sie zur Komplizin im Selbstverherrlichungsdrama eines Mannes, der sich selbst seit Jahren als Friedensikone mit Atomkoffer versteht.
Im Trump’schen Kosmos reicht schon ein höflicher Nebensatz, um die Geschichtsschreibung zu ändern: Machado wird damit automatisch zur Zeugin der Größe, Oslo zur Verschwörung gegen Amerika, und der Friedenspreis zum Fake-Award aus Norwegen.
„Ich habe sieben Kriege beendet – und fünf erfunden“
Trump erklärte in seiner Pressekonferenz, er habe „mehr Frieden geschaffen als jeder Präsident zuvor“. Als Beweis nannte er seine „Einigung im Gaza-Konflikt“ – eine, die noch niemand gesehen hat, aber laut Trump „so gut ist, dass sie geheim bleiben muss“.
Er ergänzte stolz:
„Ich habe innerhalb von sieben Monaten sieben Kriege beendet – was niemand anderes geschafft hat, außer vielleicht Genghis Khan.“
Dass die UNO und das Pentagon von diesen Kriegen nichts wissen, stört ihn nicht. „Die Medien berichten einfach nicht über meine Erfolge“, klagt er. „Fake News! Sie hassen es, wenn ich Frieden mache. Dabei bin ich sehr friedlich – wenn alle tun, was ich will.“
Das Weiße Haus und das Wunder der inneren Ruhe
Während Oslo noch die Friedensurkunde polierte, lief in Washington eine ganz andere Art von Feierstunde. Trumps Sprecher Steven Cheung erklärte auf X:
„Das Nobelkomitee stellt Politik über Frieden. Präsident Trump wird weiter Abkommen schließen, Kriege beenden und Leben retten. Er ist der größte Humanist der Geschichte – mit der Kraft seines Willens kann er Berge versetzen.“
Beobachter stellten fest: Cheung meint vermutlich dieselben Berge, auf denen früher einmal Wahrheiten lagen.
Ein Mitarbeiter aus Trumps Umgebung, der anonym bleiben wollte, fasste die Stimmung so zusammen:
„Der Präsident ist überzeugt, dass der Preis ihm gehört. Er hat schon eine Vitrine bestellt – und lässt prüfen, ob man Norwegen verklagen kann.“
Das Nobelkomitee reagiert – mit nordischer Kühle
Auf Nachfrage erklärte das Komitee trocken, man könne kein Telefonat zwischen Trump und Machado bestätigen. Die Vorsitzende fügte hinzu:
„Wir vergeben Preise für Frieden, nicht für PR.“
In Oslo blieb man diplomatisch, doch hinter vorgehaltener Hand hieß es, man habe sich kurz gefragt, ob Trump den Preis vielleicht trotzdem annehmen würde – notfalls auch ohne Zustimmung. Man erinnerte sich an 2020, als er sich selbst für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen hatte, weil er „so viel Frieden im Nahen Osten“ gebracht habe.
Ein Vorschlag, den er laut eigener Aussage „mit überwältigender Mehrheit“ selbst unterstützt habe.
Ein Preis für die Ewigkeit – in Trumps Händen
In Mar-a-Lago dagegen wird gefeiert. Trump ließ ein Foto posten, auf dem er in einem goldgerahmten Anzug (natürlich mit roter Krawatte) neben einer improvisierten Nobel-Medaille posiert – sie besteht aus einem Golfpokal mit der Gravur „The Real Winner 2025“.
„Niemand hat mehr für den Frieden getan als ich“, verkündete er. „Ich habe Amerika befriedet. Ich habe die Medien befriedet. Ich habe sogar Twitter befriedet – indem ich es zerstört habe.“
Die Menge applaudierte. Oder wie ein Beobachter sagte:
„Wenn Applaus für Trump ertönt, ist das kein Echo – es ist Nachhall der Angst.“
Der Preis der Selbstzufriedenheit
Am Ende bleibt das Bild eines Mannes, der den Friedensnobelpreis nicht gewann, ihn aber trotzdem beansprucht. Einer Preisträgerin, die eigentlich Demokratie fördern wollte – und nun ungewollt zur Hauptdarstellerin im Trump’schen Drama wurde. Und eines Komitees, das feststellt: Frieden zu schaffen ist schwer. Aber Donald Trump zu ignorieren, ist unmöglich.
Vielleicht wird er irgendwann doch noch ausgezeichnet – nicht für Frieden, sondern für Ausdauer.
Denn wenn es je einen Preis für Unerschütterliche Selbstüberzeugung im Angesicht der Realität gäbe, dann hätte Donald J. Trump ihn längst gewonnen. Und zwar einstimmig – in seiner eigenen Jury.