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Wenn der Algorithmus hupt – Die Schweiz, Baidu und die selbstfahrende Zukunft mit chinesischem Navi

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Wenn der Algorithmus hupt – Die Schweiz, Baidu und die selbstfahrende Zukunft mit chinesischem Navi

Der stille Aufstand der Maschinen beginnt in Appenzell

Es beginnt, wie alle großen Revolutionen beginnen – leise, effizient und mit eidgenössischer Bewilligung. Während die Welt noch über KI-Gefahren debattiert und Elon Musk mal wieder auf „Pause“ drückt, bereitet die Schweiz in aller Gelassenheit den nächsten Quantensprung vor: Autonom fahrende Taxis von Baidu.

Jawohl, Baidu. Das ist nicht etwa ein neues Käsefondue oder ein Bergdorf, sondern Chinas Antwort auf Google – mit weniger Datenschutz und mehr Datenhunger. Ab Dezember 2025 sollen seine Fahrzeuge in der Ostschweiz den Testbetrieb aufnehmen. Ziel: Der Mensch als Verkehrsstörfaktor soll endlich eliminiert werden.

Die Postauto AG, sonst bekannt für pünktliche Busse, freundliche Chauffeure und das legendäre Dreiklang-Horn, wird damit zum Versuchslabor des 21. Jahrhunderts. Die Zukunft fährt also bald elektrisch, emotionslos – und vermutlich mit besserer Laune als so mancher Pendler im Berufsverkehr.

Der chinesische Traum vom Alpenstaat

Natürlich präsentiert Baidu sein Projekt als Fortschritt für die Menschheit – oder zumindest für jene, die keine Angst haben, von einer Software ans Ziel gebracht zu werden. Die KI „Apollo Go“ verspricht „sicher, effizient und zukunftsweisend“ zu sein – was in Übersetzung etwa bedeutet: „Wenn Sie einsteigen, übernehmen wir nicht nur das Lenkrad, sondern auch Ihr Bewegungsprofil.“

Dass ausgerechnet die Schweiz, das Land der Datensparsamkeit, der Volksabstimmungen und der anonymen Bankkonten, jetzt freiwillig chinesischen Algorithmen die Tür öffnet, ist fast schon poetisch. Der Datenschutzbeauftragte des Bundes dürfte bei der Vorstellung vermutlich irgendwo zwischen Schockstarre und Nervenzusammenbruch pendeln.

Die Fahrzeuge sollen „ohne Fahrer, aber mit Sicherheitsbegleitung“ unterwegs sein – was klingt wie ein Tinder-Date zwischen Technologie und Bürokratie. Und falls der Algorithmus sich verirrt, wird er sicher höflich anhalten, die Route neu berechnen und dem Fahrgast ein beruhigendes:

„Wir bitten um Ihr Vertrauen. Ihr Datenschutz ist uns sehr wichtig – laut Absatz 47, Unterpunkt 3 unserer AGB.“ anzeigen.

Wenn Alpenpanorama auf Gesichtserkennung trifft

Die Vorstellung hat Charme: Ein selbstfahrendes Taxi rollt durch die malerischen Hügel von Appenzell. Kühe blicken neugierig auf. Das Fahrzeug erkennt sie als „bewegte organische Objekte mit geringem Risiko“ und hupt nicht, weil es das neue „Smart-Cow-Modul“ installiert hat.

Im Inneren des Autos sitzt ein Tourist aus Bern, der auf dem Weg zur Arbeit Netflix schaut, während Baidus Bordkamera seine Pupillenbewegungen analysiert und daraus ableitet, dass er „latent gelangweilt“ ist. Prompt erscheint auf dem Display ein Vorschlag:

„Möchten Sie während der Fahrt eine Werbung für die chinesische Automobilindustrie sehen?“

Wer sagt, dass KI unemotional sei, hat noch nie erlebt, wie sie versucht, einem Schweizer Käse ausländische Finanzprodukte anzudrehen.

Die Schweiz im Turing-Test

Doch die große Frage lautet: Wie reagiert das Schweizer Volk auf fahrerlose Fahrzeuge? Das Land, in dem man über jeden Bauantrag abstimmt, wird sich vermutlich auch hier nicht lumpen lassen. Die Volksinitiative „Für den Schutz des menschlichen Busfahrers“ dürfte schon in der Mache sein.

Dabei könnte es auch kulturelle Missverständnisse geben. Die KI könnte zum Beispiel an der Haltestelle Appenzell-Dorf anhalten und verwirrt fragen:

„Warum steigen 37 Touristen ein, um nur 400 Meter weiter wieder auszusteigen?“ Und der lokale Rentner im Fond wird antworten: „Weil wir’s können, du Blechchines.“

Baidu und die globale Eroberungsfahrt

Natürlich bleibt die Schweiz nur der Anfang. Baidu hat bereits Deutschland und Großbritannien im Visier – zwei Länder, die unterschiedlicher kaum ticken könnten. In Berlin wird der autonome Wagen wohl erst mal drei Wochen im Stau stehen, während in London das System daran verzweifelt, die Linksverkehrslogik mit dem Common Sense zu vereinen.

Der Unterschied zu China: Dort funktioniert der Verkehr trotz 40 Grad, Smog und 30 Millionen Fahrzeugen. In Europa dagegen reicht ein leichter Nieselregen und ein Rentner auf dem Zebrastreifen – und das System startet den „Notfall-Neuladeprozess“.

Aber das ist alles eingeplant. Denn die Zukunft soll reibungslos rollen – solange keiner zu laut hustet oder versucht, dem Algorithmus ein Schnitzel anzubieten.

Wenn Fortschritt zur Farce wird

Natürlich gibt es auch Kritiker. Historiker warnen, die Schweiz verliere ihr Kulturerbe, wenn Busfahrer durch Baidu ersetzt werden. „Wer ruft dann noch ‘Grüezi mitenand!’ durch den Innenraum?“, fragt die Neue Zürcher Zeitung in einem Kommentar. Und was passiert mit all den kleinen Anekdoten, den vergessenen Regenschirmen, den Fahrkartenkontrollen, bei denen man noch schnell das Ticket kauft, während der Fahrer großzügig wegsieht?

Diese menschlichen Momente – ersetzt durch eine KI, die pünktlich, unbestechlich und unermüdlich ist. Schrecklich.

Der (nicht ganz) letzte Halt

Baidu behauptet, es gehe um „Fortschritt im Dienste der Menschheit“. Aber seien wir ehrlich: Es geht um Daten. Daten über Menschen, Bewegungen, Vorlieben, vielleicht sogar über die Häufigkeit, mit der Schweizer ihr Fondue nach dem Käseverhältnis bewerten.

Die Schweiz, traditionell neutral, wird damit unfreiwillig zum globalen Testgelände – nicht für Raketen, sondern für Roboterbusse mit WLAN.

Wenn 2027 also der erste fahrerlose Postbus durch die Appenzeller Alpen rollt, ist das kein Science-Fiction-Film mehr. Es ist der Moment, in dem die Schweiz lernt, dass Zukunft nicht immer klingelt, bevor sie einfährt.

Oder wie ein skeptischer Dorfbewohner es wohl ausdrücken würde:

„Ich vertraue lieber dem Hansruedi – der hat wenigstens ‘nen Führerschein.“