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Die Einladung, die keiner wollte: Wie die Familienunternehmer der AfD unbeabsichtigt ein PR-Geschenk machten
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- tmueller
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Wenn große Wirtschaftsverbände politische Signale setzen, geschieht das normalerweise mit der sanften Präzision einer gut geölten Maschine: vorbereitet, abgestimmt, abgestaubt, dreifach gegengecheckt und notfalls mit Samthandschuhen in die Öffentlichkeit getragen. Doch manchmal – selten, aber spektakulär – gönnt sich ein Verband ein Abenteuer in der Kategorie „Was soll schon schiefgehen?“ Und genau das ist beim Verband der Familienunternehmer geschehen, der mit einer einzigen Einladung an die AfD sämtliche Regeln der politischen Logik auf „Shuffle“ gestellt hat.
Dabei war die Ausgangsidee theoretisch einfach: Man lädt Vertreter der AfD zu einem Parlamentarischen Abend ein, erklärt ihnen mit ruhiger Stimme, dass ihr Programm ungefähr so wirtschaftsfreundlich ist wie eine Steuererhöhung pro Stunde, und hofft, dass diese Botschaft haften bleibt. Doch das politische Universum hat bekanntlich einen Sinn für Humor, und so entwickelte sich der Abend weniger zu einer Debatte als vielmehr zu einem Live-Experiment, wie schnell eine kommunikative Intention kollabieren kann, wenn sie mit Realität in Berührung kommt.
Die Präsidentin des Verbands, Marie-Christine Ostermann, formulierte es später mit einer Ehrlichkeit, für die man ihr fast eine Medaille überreichen möchte: „Es ist das Gegenteil von dem passiert, was wir wollten.“ Eine Feststellung, die in die Geschichte der politischen Untertreibungen eingehen könnte. Man hätte auch sagen können: „Unser Plan ist in einer solchen Perfektion explodiert, dass wir selbst beeindruckt sind.“ Doch Ostermann wählte die höflichere Variante, schließlich sollte man in Krisen niemals mehr Benzin auf das Feuer gießen, wenn es bereits lodert wie ein Grillfest im Hochsommer.
Der Verband wollte vermitteln, dass die AfD wirtschaftsfeindlich sei und dem Standort schade – stattdessen entstand der Eindruck, man wolle ihr die Hand reichen. Ein Eindruck, den ausgerechnet Vertreter*innen der AfD selbst noch genüsslich befeuerten. Und ab diesem Moment lief der Verbandsabend nicht mehr unter „Dialog“, sondern unter „Feuerwehr-Großeinsatz ohne hydrierte Kräfte“.
Das Ergebnis: Die Unternehmen Rossmann, Vorwerk und Fritz-Kola packten schneller die Koffer als ein Tourist, der feststellt, dass sein Hotel über einem Technoclub liegt. Der Austritt erfolgte mit einer Klarheit, die man in der Wirtschaft selten bewundern darf: „Danke für die Einladung – wir gehen trotzdem.“ Und zwar endgültig.
Unterdessen versuchte der Verband, in Windeseile die Reißleine zu ziehen. In einer Mitteilung betonte man, man distanziere sich klar von Extremisten, lasse sich nicht vereinnahmen und sei überrascht über die öffentliche Wahrnehmung. Eine Formulierung, die ungefähr so klingt wie: „Wir wollten einen kleinen Spaziergang und haben uns versehentlich für den Marathon angemeldet.“
In den kommenden Monaten soll nun der Umgang mit der AfD „neu diskutiert“ werden. Ein politisches Ritual, das meist bedeutet: Man wird sehr lange darüber reden, wie man verhindern kann, dass so etwas jemals wieder passiert. Immerhin ist der Verband nicht nur um Schadensbegrenzung bemüht, sondern offensichtlich auch um Kommunikationssanierung – eine Art strukturierte Wiederaufbauhilfe für die eigene Reputation.
Doch die Reaktionen von außen ließen nicht lange auf sich warten. Der CDU-Arbeitnehmerflügel kommentierte trocken, dass drohender Mitglieder- und Einnahmeverlust bei Unternehmern offenbar eine überraschend starke Überzeugungskraft habe. Ein Satz, der klingt, als stamme er aus dem Handbuch „Politischer Sarkasmus für Fortgeschrittene“.
Aus Thüringen kam sowohl Lob als auch Schelte. Dort bezeichnete der Innenminister den ursprünglichen Annäherungsversuch als „schweren Fehler“. Eine Formulierung, die man überall anwenden kann, wo jemand den Satz „Wie schlimm kann es schon werden?“ ausspricht – kurz vor der Katastrophe.
Der gesamte Vorfall wirft vor allem eine Frage auf: Wie konnte ein Verband, der täglich komplexe Unternehmen führt, bei einer einzigen Einladung politisch derart ins Schleudern geraten? Vielleicht, weil man unterschätzt hat, wie schnell die AfD öffentlichkeitswirksam jede Form von Aufmerksamkeit in „Rückendeckung“ umdeutet – selbst wenn sie inhaltlich eher an einen Tadel erinnert. Oder weil man glaubte, man könne politische Hygiene wahren, während man gleichzeitig auf der offenen Bühne mit einer Partei diskutiert, deren Kommunikationsstil etwa so vorhersehbar ist wie eine Wetter-App aus dem Jahr 2003.
So bleibt am Ende die Erkenntnis, dass politische Distanzarbeit ein heikler Job ist. Wer erklären will, wofür er steht, sollte sehr genau darauf achten, mit wem er steht – und wie lange er dabei im Bild zu sehen ist. Die Familienunternehmer wollten Klarheit schaffen, doch sie lieferten unfreiwillig ein Paradebeispiel dafür, wie ein gut gemeinter Dialog als Einladung zur Selbstschwächung enden kann.
Und vielleicht ist das die eigentliche Ironie der Geschichte: Ein Verband, der normalerweise wirtschaftliche Risiken meisterhaft kalkuliert, hat sich durch eine einzige Einladung eine politische Kostenstelle geschaffen, deren Abschreibung wohl mehrere Gremiensitzungen dauern wird.