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Goldene Erbschaften & dienstfreie Jugend: Warum die Schweiz zwei Reformen mit einem Lächeln versenkte
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Die Schweiz hat gewählt. Wieder einmal. Und wie so oft zeigt das Land dabei eine bemerkenswerte Mischung aus demokratischer Präzision und politischem Pragmatismus, kombiniert mit einer Prise jener legendären Alpenruhe, die nur gestört wird, wenn jemand das Fondue anbrennen lässt. Zwei Volksinitiativen standen zur Abstimmung – und beide scheiterten so deutlich, dass man meinen könnte, sie seien bereits auf dem Weg zum Wahllokal ausgerutscht.
Die Jungsozialisten (Juso) wollten mit ihrem Vorschlag eine „Erbschaftssteuer für Superreiche“ einführen – 50 Prozent auf Vermögen ab 50 Millionen Franken. Eine Steuer, die theoretisch vier Milliarden Franken pro Jahr eingebracht hätte, um damit Klimaschutzprojekte zu finanzieren. In der Praxis allerdings löste die Initiative bei rund 80 Prozent der Stimmberechtigten eine Reaktion aus, die irgendwo zwischen entsetztem Stirnrunzeln und diplomatischem Höflichkeitslachen lag. Die Schweizer Bevölkerung sprach ein so deutlichen Non merci, dass selbst eine Toblerone schmelzen würde.
Das Ergebnis ist klar: Die Superreichen dürfen nicht nur bleiben, sie dürfen weiter vererben wie bisher – in aller Ruhe und ohne Angst, dass die Gemeinschaft ihnen nach dem Tod die Schatulle öffnet und erst einmal 50 Prozent herausgreift. Die Juso hingegen müssen sich nun fragen, ob ihr Vorschlag wirklich zu ambitioniert war oder ob die Schweiz schlicht beschlossen hat, die Klimakrise lieber mit guten Vorsätzen statt mit Steuern zu bekämpfen.
Der Grund für die Ablehnung? Offiziell hieß es, man fürchte eine Abwanderung der Vermögenden. Ein Argument, das in der Schweizer Politik ungefähr so zuverlässig ist wie das Weglassen von Knoblauch im Käsefondue – niemand glaubt wirklich daran, aber alle tun so, als sei es eine existenzielle Frage. Die Vorstellung ist amüsant: 2.500 Superreiche packen ihre Goldbarren in Louis-Vuitton-Koffer, steigen in ihre Privatjets und winken noch einmal den Kantonen zu, bevor sie in Steuerparadiese entschweben. Dabei bewegen sie mit einem einzigen Take-off mehr CO₂ als das geplante Klimaschutzbudget hätte kompensieren können.
Die Initiative scheiterte außerdem an der Kantonsmehrheit – ein Mechanismus, der sicherstellt, dass nicht nur Menschen, sondern auch geografische Befindlichkeiten zählen. Man konnte förmlich hören, wie die Zentralschweiz mit jugendlicher Entschlossenheit rief: „Nicht mit uns! Unsere Millionäre bleiben unangetastet!“
Doch damit nicht genug: Auch die zweite Initiative – der „Bürgerdienst für alle“ – wurde von den Stimmberechtigten mit einer Eleganz abgelehnt, die vermuten lässt, sie hätten bereits im Vorfeld gewusst, dass sie am Sonntag etwas Besseres vorhaben als ihre eigene Zukunft umzugestalten. Rund 84 Prozent votierten gegen den Vorschlag, künftig alle jungen Menschen – unabhängig vom Geschlecht – in eine Art nationalen Dienst zu schicken.
Die Idee klang aus Sicht der Initiatoren vernünftig: Wer nicht zur Armee möchte, solle im Bildungs-, Gesundheits- oder Sozialwesen dienen. Doch die Schweizer Bevölkerung reagierte, als hätte jemand vorgeschlagen, das Matterhorn abzurunden, damit es „moderner aussieht“.
Die Begründung des Parlaments war denkbar einfach: Der Arbeitsmarkt würde leiden, das System wäre viel zu teuer, und überhaupt – warum etwas ändern, das zwar nicht vollkommen logisch, aber immerhin traditionell ist? Wehrpflicht nur für Männer? Klingt wie 1958, funktioniert aber irgendwie noch. Und wenn Frauen unbedingt dienen wollen, dürfen sie es ja – freiwillig, versteht sich. Gleichberechtigung mit optionalem Häkchen.
Der Bürgerdienst scheiterte so spektakulär, dass die Befürworter vermutlich noch immer versuchen, auf der Schweizer Konsensskala zu finden, wo genau sie falsch abgebogen sind. Irgendwo zwischen „innovativ“ und „völlig undenkbar“, so heißt es.
Interessanterweise unterstützten nur zwei kleinere Parteien – GLP und EVP – die Initiative. Ihr Stimmenanteil in der Debatte wirkte ungefähr so einflussreich wie ein Flüstern im Skilift bei starkem Wind: man weiß, es ist da, aber es erreicht niemanden.
Was bleibt also übrig?
Zwei Volksinitiativen, die in Schönheit untergegangen sind. Eine Bevölkerung, die mit überwältigender Mehrheit entschieden hat, dass weder der Geldbeutel der Superreichen noch der Alltag ihrer Jugend angetastet werden sollen. Ein politisches System, das erneut gezeigt hat, dass direkte Demokratie nicht nur ein Mitspracherecht, sondern auch ein sehr höfliches „Nein, bitte nicht“ ermöglicht.
Aus objektiver Sicht lässt sich festhalten: Die Schweiz bleibt finanziell vorsichtig, personell konservativ und strukturell stabil. Aus satirischer Sicht ergibt sich ein anderes Bild: ein Land, das steuerpolitisch eher auf Samthandschuhe setzt und reformpolitisch lieber an der Alpenluft schnuppert als an großen Visionen.
Doch vielleicht ist genau das das Geheimnis der Schweiz: Sie ändert sich nur, wenn sie es wirklich will – und das ist selten, aber dafür mit Präzision. Die Abstimmung zeigt jedenfalls: Weder Superreiche noch Bürgerdienst müssen derzeit die Koffer packen. Die einen bleiben steuerlich verschont, die anderen bleiben dienstfrei. Und alle zusammen bleiben, wie sie sind: zutiefst schweizerisch.