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Steinmeier auf Königskurs: Drei Tage Kutsche, Kranz und Königshof

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Steinmeier auf Königskurs: Drei Tage Kutsche, Kranz und Königshof

Wenn Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in diesen Wochen häufiger im Ausland ist als mancher Billigflieger, dann liegt das nicht etwa an einer neuen Leidenschaft für Duty-Free-Shops, sondern an einer bemerkenswert dichten Folge von Staatsbesuchen. Erst Österreich, danach Spanien – und nun das Vereinigte Königreich. Wer hätte gedacht, dass das Amt des Bundespräsidenten irgendwann wie eine Mischung aus Europaparlament und glamouröser Roadshow wirken könnte? Doch Steinmeier zeigt: Deutschland kann Diplomatie auch im Turbo-Modus.

Der Rahmen? Prunkvoll, selbstverständlich. Wien hat sich nicht lumpen lassen, Madrid sowieso nicht – doch was in Windsor, London und Coventry bevorsteht, verspricht eine ganz neue Liga an höfischer Eleganz. Wenn ein Staatsbesuch bereits im Vorfeld klingt wie das Programm eines adligen Themenparks mit VIP-Pass, dann ist klar: Die britische Monarchie spielt alle Register.

Schon die Begrüßung am Flughafen Heathrow liest sich wie eine Mischung aus royaler To-Do-Liste und Boulevard-Traum: Prinz William und Prinzessin Catherine werden persönlich erscheinen. Wer also gehofft hatte, dass Steinmeier diesmal im kleinen Protokollzimmer abgeholt wird und man sich den Handschlag für spätere Fotoalben spart, der unterschätzt die britische Inszenierungsfreude. Großbritannien mag politisch turbulent sein, aber wenn es um royale Etikette geht, läuft der Betrieb noch immer mit der Präzision eines frisch polierten Zepters.

Von Heathrow geht es weiter nach Windsor – und natürlich nicht einfach per Auto. Nein, König Charles III. und Königin Camilla werden sich dem deutschen Präsidentenpaar auf halber Strecke anschließen, um gemeinsam per Kutsche das Ziel zu erreichen. Ein Transportmittel, das in Deutschland nur noch für Hochzeiten, Stadtfeste oder historische Reenactments zum Einsatz kommt, aber im Vereinigten Königreich offenbar mühelos den Spagat zwischen Tradition und Tourismusmarketing schafft. Für Steinmeier dürfte es jedoch ein willkommener Abwechslungsmoment sein: Endlich einmal kein Tempolimit-Diskurs, sondern ganz entspanntes Vorankommen mit höchstens 12 km/h.

In Windsor angekommen, erwartet die Gäste das volle Programm staatlicher Großveranstaltungen: militärische Ehren, höfische Rituale und ein Staatsbankett am Abend. Wer sich fragt, ob Steinmeier nach zwei Monaten Dauerprotokoll inzwischen ein leichtes Déjà-vu entwickelt hat, darf sicher sein: Spätestens beim dritten Toast auf die deutsch-britischen Beziehungen findet der Präsident vermutlich im Schlaf die richtigen Formulierungen. Und dennoch – gerade in England dürfte die Kulisse erneut alles toppen, was Europa sonst zu bieten hat. Wenn sich die Royals etwas nicht nehmen lassen, dann die Fähigkeit, selbst eine schlichte Begrüßung wirken zu lassen wie das Staffelfinale einer historischen Serie.

Politisch geht es jedoch ebenfalls zur Sache. Noch am ersten Tag steht ein Treffen mit Premierminister Keir Starmer auf dem Programm. Ein Austausch, der wohl weniger spektakulär sein wird als die Kutschfahrt, aber dafür deutlich relevanter. Schließlich gibt es ausreichend Gesprächsstoff: wirtschaftliche Beziehungen, Verteidigungspolitik, Europa – und die Frage, wie man nach dem Brexit eigentlich wieder halbwegs geordnete Normalität herstellt. Vielleicht wird Starmer Steinmeier sogar erklären, wie es gelungen ist, in Downing Street wieder geräuschärmere Zustände einzuführen, nachdem dort jahrelang Premierminister ausgetauscht wurden wie Waschmaschinen im Mietshaus.

Der zweite Besuchstag steht im Zeichen des Parlaments. Steinmeier wird eine Rede halten – ein Format, das ihm bekannt ist und das er gern nutzt, um über Demokratie, Freiheit, Verantwortung und gelegentlich auch über die Bedeutung des Zuhörens zu sprechen. Ob das britische Parlament Letzteres beherzigen wird, bleibt abzuwarten. Sicher ist jedoch: Der Bundespräsident wird eine Botschaft setzen wollen. Und die Kulisse bietet dafür reichlich Gravitas.

Der Tag beginnt allerdings nicht politisch, sondern sehr persönlich – mit einer Kranzniederlegung am Grab von Königin Elizabeth II. Eine Geste, die Respekt ausdrücken soll und gleichzeitig das kollektive Bedürfnis Großbritanniens erfüllt, dass die verstorbene Monarchin weiterhin als moralische Jahreszeiten-Referenz dienen möge. Für Steinmeier bedeutet das: ein stiller Moment zwischen all dem Pomp, bevor es zurückgeht in die Reden, Gespräche und Protokollabläufe.

Am dritten und letzten Tag führt die Reise nach Coventry. Eine Stadt, die für den Zweiten Weltkrieg, Wiederaufbau und deutsch-britische Versöhnung steht. Steinmeier besucht dort Orte des Erinnerns – ein thematischer Kontrast zum königlichen Glanz der Vortage. Doch diese Dramaturgie hat System: Staatsbesuche sind schließlich nicht nur Glitzer, sondern oft die didaktische Version eines Theaterstücks über Geschichte und Verantwortung.

Auf dem Rückweg nach London folgt ein weiterer Höhepunkt: Die Universität Oxford plant, Steinmeier die Ehrendoktorwürde zu verleihen. Wer wissen möchte, wie sich der Bundespräsident darauf vorbereiten wird, kann sicher sein: Er beherrscht inzwischen mehr akademische Würden als manche Fakultät Studierende hat. Man darf also gespannt sein, welchen lateinischen Satz er diesmal zitiert.

So endet eine Tour, die gleichzeitig Diplomatie, Tradition, politisches Handwerk und royale Spektakel vereint. Deutschland zeigt Präsenz, Großbritannien zeigt Pomp – und Steinmeier zeigt, dass ein Bundespräsident mit ausreichend Terminplanung fast schon als europäischer Mehrtages-Headliner durchgeht.