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Schalke knüppelt, Hertha krümelt – Zweite Liga, erste Lehrstunde
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Wenn Malocher-Fußball auf Hauptstadt-Kaffeesatz trifft und ein Spieler mit dem Namen eines Sparkassen-Azubis zum Albtraum einer angeblichen Aufstiegsmannschaft wird.
Gelsenkirchen – Freitagabend in der Veltins-Arena: Kohle gibt’s keine mehr, dafür endlich wieder Dampf – und zwar auf dem Rasen. Schalke 04, zuletzt sportlich näher an der Kreisliga B als an der Champions League, erfindet sich neu: mit einem Trainer, der aussieht wie Sandro Wagner auf Proteinentzug, und einem Angreifer namens Peter Remmert, der klingt wie der neue Praktikant im Bürgerbüro.
Und Hertha? Kam offenbar aus Versehen zum Fußball. Man dachte wohl, es sei ein Bewerbungsgespräch fürs Humboldt-Forum.
Hertha BSC – Hauptstadt der Hochmut, Provinz im Spielaufbau
Die Berliner reisten mit dem Anspruch an, „Favorit“ zu sein – und mit dem Talent, diesen Anspruch so effektiv zu sabotieren wie die BVG ihren eigenen Fahrplan. Coach Stefan Leitl wirkte an der Seitenlinie wie ein Mann, der das Navi falsch programmiert hat: Ziel Bundesliga, angekommen in Bottrop-Nord.
In der ersten Halbzeit spielte Hertha mit der Dynamik einer Berliner Koalitionsverhandlung und der Kreativität eines Feuilletons über Friedrich Merz. Man hatte den Eindruck: Wenn in Gelsenkirchen nicht gerade ein Remmert den Ball ins Rollen bringt, dann muss man eben selbst zugucken, wie es die Gastgeber machen.
Peter Remmert – der fleischgewordene Zweitliga-Traum
20 Jahre jung, drei Spiele im Tank, ein Körper wie ein Baustellenkran auf Koks – Peter Remmert ist nicht nur der Name, den sich Schalker Ultras jetzt tätowieren lassen, sondern auch der lebende Beweis, dass man mit Tempo, Wucht und einem Pass mit dem Hintern mehr Eindruck machen kann als Hertha mit einem Jahresetat.
Er fällt, grätscht im Sitzen weiter, gibt einen Assist mit dem Po, wird ausgewechselt unter Standing Ovations und sieht dabei aus, als hätte er nach der Schule direkt durchgeschuftet – bei Schalke natürlich, nicht im Bundestag.
Trainer Muslic – vom Unbekannten zum Heilbringer im Blaumann
Miron Muslic. Vor dem Spiel ein Name, bei dem selbst Google kurz gezögert hat. Nach dem Spiel ein Gott in Jogginghose. Der Mann kam aus Plymouth Argyle – was wahlweise ein englischer Drittligist oder ein Möbelstück bei IKEA ist – und wurde direkt zum Schrecken aller Berliner Aufstiegsträume.
Schalke zahlte 700.000 € Ablöse. Für Schalke ist das so, als würde man auf Pump ein neues Dach kaufen, obwohl das Haus brennt – und es funktioniert! Muslic bringt Feuer, Wucht, Testosteron und eine Körpersprache, bei der man vermutet: Wenn er mitrennt, explodiert der Akku.
Hertha: Wie man mit Anspruch anreist und mit Scham wieder abfährt
Schon nach 20 Minuten stand es 2:0. Die Berliner Defensive war in etwa so präsent wie ein ICE bei Glatteis. Toni Leistner, der vor dem Spiel noch von „Favoritenrolle“ faselte, durfte nach dem Spiel dann zusehen, wie sein Team vom Schalker Nachwuchs rasiert wurde wie ein Rasensprenger von Peter Neururer.
Abwehr? Nicht existent. Spielaufbau? Nur im Konjunktiv. Torgefahr? Wenn man das Gegentor mitzählt, immerhin eins.
Schalke feiert wie nach dem Sieg gegen den Kapitalismus
Nach Abpfiff: Tränen, Fäuste, Herzklopfen. Und das alles, ohne dass Schalke überhaupt aufgestiegen ist – es war nur das erste Spiel. Aber egal: In Gelsenkirchen feiert man eben das Hier und Jetzt, weil das Morgen schon wieder eine Trainerentlassung sein kann.
Muslic schreit seine Liebe in die Kurve, Spieler trommeln sich auf die Brust wie frisch befreite Urzeitkrieger, und irgendwo fällt ein Hertha-Trikot in eine Biotonne.
Schalke: ✓ Kein Geld ✓ Kein Glanz ✓ Aber: Kampf, Grätsche, Leidenschaft, Po-Assists
Hertha: ✓ Etat wie ein Mittelständler ✓ Aufstiegsträume wie ein Tech-Startup ✓ Leistung wie ein Akkubohrer ohne Akku
Und Peter Remmert? Der wird demnächst vermutlich in Berlin-Kreuzberg in den Lehrplan aufgenommen – als abschreckendes Beispiel für überambitionierte Hauptstadtprojekte.